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0736 - Jäger der Nacht

0736 - Jäger der Nacht

Titel: 0736 - Jäger der Nacht
Autoren: Jason Dark
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Glas. Ich bin zu faul, um aufzustehen.«
    Es befand sich alles in einem Raum. Er diente als Schlaf- und Wohnzimmer. Sogar eine Miniküche war eingerichtet worden. Sie lag hinter einem Vorhang.
    Zielsicher fand May ein Glas. Darüber wunderte sie sich. Obwohl es nicht ihre Wohnung war, hatte sie nichts vergessen. In London war sie schon geboren, hoch im Norden, nicht weit vom Zoo entfernt, wo sie als Kinder immer gespielt hatten.
    »Worüber denkst du nach?« fragte Anne.
    »Über alles.«
    »Das ist zwar gut, aber trotzdem zu wenig.« Sie schenkte einen Schluck ein.
    »Danke.«
    »Sag schon.«
    May schaute in das Glas. »Ich komme aus London, das weiß ich. Und woher kommst du?«
    »Ipswich.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, mich hat es nach London verschlagen. Habe mal hier und mal dort gejobbt, dann bin ich an Westlake geraten.« Anne Wilde war burschikos. »Das Angebot klang gut, außerdem war es etwas Besonderes, einfach zu verschwinden. Die schwebende Jungfrau, du verstehst.«
    »Kenn ich ja.«
    »Und dann sind wir eben ganz verschwunden«, sagte Anne.
    May nickte nur. Sie schaute in ihr Glas und hatte noch keinen Schluck getrunken. »Er ist das Problem.«
    »Wen meinst du?«
    »Westlake. Wenn wir mehr über uns erfahren wollen, müssen wir uns mit ihm in Verbindung setzen. Er weiß mehr, er kennt die Hintergründe. Er wird sie uns sagen müssen.«
    Anne schüttelte den Kopf. »Bist du sicher, daß du sie auch erfahren willst?«
    »Wieso? Warum nicht?«
    »Ich meine nur.«
    »Natürlich will ich erfahren, was man mit uns angestellt hat, zum Teufel.«
    »Ich nicht.« Sie hob ihr Glas. »Wenigstens nicht sofort. Ich werde mich betrinken, ich will mir richtig einen ansaufen. Das muß ich nach dieser Scheiße einfach. Kannst du das nicht verstehen, May?«
    Sie hob die Schultern. »Schon, aber…«
    »Kein Aber, Süße! Trink einen Schluck.«
    May seufzte, als sie ihr Glas anhob. Sie trank nicht gern Wein, in diesem Fall machte sie eine Ausnahme, obwohl sie schon nach dem ersten Schluck das Gesicht verzog.
    »Hast du was?«
    »Er schmeckt mir nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich bin nicht dafür.«
    »Es ist deine Stimmung.« Anne schlug die Beine übereinander und gab sich lässig.
    »Kann auch sein. Außerdem habe ich Angst. Ja, ich habe Angst!« bestätigte sie sich noch einmal selbst.
    »Wovor denn?«
    May schaute nach draußen. »Vor der Dämmerung, vor der Dunkelheit. Eigentlich vor der Nacht.«
    Das wiederum wunderte Anne.
    »Verstehe ich nicht. Tag ist Tag, und Nacht ist Nacht.«
    »Na und?«
    »Ich habe so ein komisches Gefühl!« flüsterte May. Sie schaute dabei ängstlich in eine Ecke, als würden dort irgendwelche Schatten lauern, die sich im nächsten Moment von ihren Plätzen lösten, um gegen sie zu stürmen.
    »Das vergeht.«
    »Nein, ich fürchte mich vor der Nacht.«
    Anne lachte. »Du solltest dich freuen, May. Du solltest jubeln, schreien, tanzen…« Sie sprang auf. »Verdammt, das ist es, Baby! Tanzen. Wir gehen tanzen!«
    »Du bist verrückt!«
    »Möglich, aber es ist schön, verrückt zu sein.« Anne trank ihr Glas leer und kam auf May zu. »Du mußt das alles anders sehen, Kleine. Uns ist das Leben wieder zurückgegeben worden. Das ist doch einfach super. Das ist ein Grund, um richtig einen draufzumachen. Da lassen wir die Wände wackeln, da werden wir zu einem Erdbeben.«
    »Ich nicht, Anne.«
    »Unsinn, du…«
    »Nein!«
    Anne Wilde ließ die Arme sinken. Sie schaute in Mays Gesicht und wußte Bescheid. »Okay«, sagte sie. »Okay, ich habe dich verstanden. Ist auch nicht jedermanns Sache, das so einfach abzuschütteln. Ich stimme dir zu, du brauchst nicht mit mir zu gehen. Aber du wirst doch sicherlich erlauben, daß ich allein gehe?«
    »Das kannst du.«
    »Danke.«
    »Wann denn?«
    »Schon bald«, sagte Anne und sang die Antwort dabei. Sie ging zum Fenster. Die Sonne war verschwunden. Hinter dem Dunst zeichnete sie sich nur als blasser Fleck ab. Es war zwar nicht zu sehen, aber beide wußten, daß die Temperatur wieder sank. Zum Fluß hin war die Luft undurchsichtig geworden. Da stieg der Dunst aus den breiten Uferwiesen hoch wie ein gewaltiges Gespenst.
    Anne drehte sich um. »Ich werde mich mal duschen und zurechtmachen. Es bleibt also bei deinem Vorhaben?«
    »Ja.«
    »Da kann man nichts machen – schade.«
    Sie verschwand im Bad und ließ May Feldman allein zurück. Deren Stimmung war wieder trübe geworden. Sie starrte in ihr Glas, hatte, die Stirn in Falten gelegt und wußte eigentlich
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