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073 - Der Gehenkte von Dartmoor

073 - Der Gehenkte von Dartmoor

Titel: 073 - Der Gehenkte von Dartmoor
Autoren: Larry Brent
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oben.«
    »Richtig! Und
davor?«
    »Hm. Ich
glaube, ich kann es erkennen – das ist ein Galgen! Oder irre ich mich?«
    »Nein, Sie
irren nicht. Ein Galgen! Niemand weiß, wie alt er ist. Und es gibt viele
schaurig-schöne Legenden um ihn. Die Leute nennen den Hügel den Teufelspick.
Ich glaube, in der Dunkelheit ist da noch keiner hinaufgegangen.«
    »Und Sie,
Vikar?«
    »Ich war
natürlich mehrmals oben, auch in der Dämmerung. Aber es zieht mich nicht sehr
hin. Der Platz ist unheimlich. Man sieht von dort aus nur das Moor. Von meinem
Dorf ist nichts zu sehen, außer dem oberen Teil des Kirchturms. Bei unserer
englischen Neigung für das Alte und Schaurige wird der Galgen noch in tausend
Jahren dort stehen, und man wird eines Tages nicht mehr wissen, wofür man ihn
gebraucht hat. Hoffe ich wenigstens. Ich darf vorausgehen?«
    Mrs. Holt,
die siebzigjährige Haushälterin, hatte eine seltsame Anziehungskraft für
Spukgeschichten. In Horne, der Bezirksstadt, die immerhin acht Meilen von
Fennermoor entfernt lag, wußte die alte Dame stets als erste zu berichten, daß
der gespenstische Leichenwagen wieder aufgetaucht war.
    »Nanu? Was
ist damit?«
    »Eine alte
Story, die offenbar wieder auflebt. Um Mitternacht soll ein schwarzer
Totenwagen, von zwei Pferden gezogen und mit Särgen beladen, lautlos durch die
Stadt fahren. Und wer ihm begegnet, muß sterben. Auf dem Bock sitzt der Tod.«
      »Und Mrs. Holt glaubt daran?«
    »Felsenfest.
Vielleicht hängt es auch damit zusammen, daß sie aus Princetown stammt.«
    »Da ist doch
das schreckliche Zuchthaus?«
    »Ja, und Mrs.
Holt wurde dort geboren, als Tochter eines Aufsehers. Später heiratete sie nach
Fennermoor. Sie kannte ihren Vater eigentlich nur mit umgehängtem Gewehr.«
    Der junge
Vikar trat ans Fenster: »Es dämmert bereits. Jetzt gehen die Zuchthäusler in
ihre Zellen. Und im Dartmoor erwachen die Gespenster… Nanu, da kommt ja Waters
gelaufen.
    Das ist mein
Küster. Ein alter Mann. Warum hat er es denn so eilig? Offenbar kommt er aus
der Kirche.«
    Auch der
Superintendent sah hinaus. Über die alte, steinerne Dorfbrücke näherte sich im
Dauerlauf ein weißhaariger, untersetzter Mann dem Pfarrhaus. Keuchend sah er
die Geistlichen am Fenster stehen und winkte ihnen mit beiden Armen zu. Sie
hörten ihn rufen:
    »Mr. Merten,
Mr. Merten!«
    Der Vikar
öffnete das Fenster.
    »Was ist denn
los, Waters?«
    Stoßweise
Atem holend, brachte der alte Mann mühsam hervor: »Kommen Sie… kommen Sie…
sofort mit in… die Kirche!«
    »Warum denn?«
    »Das müssen
Sie… selbst sehen. Kommen Sie doch! Aber halt, nehmen Sie Ihr Fernglas mit!«
    »Gut, ich
komme!«
    Der
Superintendent sah fragend den jungen Pfarrer an: »Was ist denn passiert?«
    »Keine
Ahnung! Ich kenne Waters sonst gar nicht so. Er hat immer Zeit. Aber ich hole
mein Fernglas.«
    Zwei Minuten
später gingen die drei Männer mit hastigen Schritten über die Brücke zur
Kirche. Sie traten ein. Tiefe Stille lag über dem dämmrigen Raum. Der Vikar sah
den Küster an: »Und was jetzt?«
    »Wir müssen
in den Turm, Mr. Merten! Ins Glockenzimmer. Ich wollte gerade läuten, da sah
ich es.«
    »Was denn?«
    »Das müssen
Sie selbst sehen! Ich will nicht, daß die Leute sagen, der alte Waters hat
Halluzinationen. Kommen Sie doch! Bevor es vielleicht weg ist!«
    Sie hasteten
die schmale Wendeltreppe zum Turm hinauf. Der junge Pfarrer war einige Schritte
voraus. Er stieß die hölzerne Tür zum Glockenzimmer auf und sah sich in dem
fast kahlen Raum um. Dann zuckte er mit den Achseln: »Alles in Ordnung, Waters.«
    »Ja, hier
schon. Aber schauen Sie doch mal zum Fenster hinaus!«
    Die beiden
Geistlichen traten an die verstaubte Scheibe des elliptischen Fensters, das
sich seit längerer Zeit nicht mehr öffnen ließ. Immerhin erkannte man, daß das
Areal um Dartmoor groß und weit war.
    Waters
drängte sich heran. »Sie können von hier aus den sogenannten Teufelspick sehen!
Schauen Sie mal scharf hin!«
    Angestrengt
blickte der Vikar durch die Scheibe. Dann griff er zum Fernglas, setzte es an
seine Augen und starrte schweigend hindurch. Ohne ein Wort zu sagen, reichte er
es dem Superintendenten. Dieser trat einen Schritt näher ans Fenster und
schaute ebenfalls durch das Okular. Als er es absetzte, lag in seinen Augen ein
Ausdruck der Bestürzung.
    »Es sieht so
aus, als wenn etwas am Galgen hängt.«
    »Und was
meinen Sie, was es ist?«
    »Offen
gestanden, es könnte ein Mensch sein.«
    »Ich fürchte,
es ist ein
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