Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0722 - Eiswind der Zeit

0722 - Eiswind der Zeit

Titel: 0722 - Eiswind der Zeit
Autoren: M.H. Rückert
Vom Netzwerk:
Kerzenlicht flackerte immer noch. Der Schatten warf den Teufel an die Wand.
    ***
    Ein nagelneuer silberner Mercedes-Benz SL 500 rollte an diesem Nachmittag in den Hof von Château Montagne, dem im südlichen Loire-Tal gelegenen Schloss von Professor Zamorra.
    Der zweisitzige Roadster mit 306 PS und 12 Zylindern konnte in 6,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen und erreichte über 250 km/h Spitzengeschwindigkeit.
    Nicole Duval winkte das Fahrzeug bis vor die Marmortreppe, die zu den großen Glastüren führte. Diese stellten zwar einen Stilbruch in der Frontfassade des Bauwerks dar, ließen aber dafür eine Menge Licht in den dahinter liegenden, ansonsten fensterlosen Raum fallen.
    Der Wagen stoppte. Ein Mann und eine Frau, beide dunkelhaarig, stiegen aus. Der Mann war ganz in schwarz gekleidet, die Frau trug unter ihrem braunen Mantel ein elegantes Kostüm.
    Beide Personen waren Nicole, die die beiden in einem knallroten Jogginganzug empfing, gut bekannt.
    »Hallo, April! Hi, Mister Munro!«, begrüßte sie die beiden.
    »Hallo, Nicole!« April Hedgeson, die Besitzerin der Grym-Werft, umarmte Professor Zamorras Lebensgefährtin, Sekretärin und Partnerin im Kampf gegen die Dunkelmächte. Dann gab es das gewohnte Begrüßungsritual: Zuerst Küsschen links auf die Wange, dann Küsschen rechts.
    Ran Munro, der Skipper der SEASTAR II, des modernsten Schiffes der Welt, begrüßte sie weniger heftig. Mit einem festen Händedruck, dass sie glaubte, in einen Schraubstock eingeklemmt worden zu sein.
    »Ihr seht gut aus«, begann Nicole, die sich bei April Hedgeson, der Chefin der Grym-Werft, unterhakte, »und ich freue mich riesig, euch mal wieder zu sehen.«
    Ihre Freude war ehrlich, das spürten die beiden Ankömmlinge.
    »Stimmt, es passiert viel zu selten dass wir uns treffen«, bestätigte April strahlend. Sie und Zamorras Gefährtin kannten sich seit Ewigkeiten. Nicole als gebürtige Französin und April als gebürtige Engländerin hatten gemeinsam in den USA studiert. Das war jetzt knapp 30 Jahre her. Damals hatten sie als wildes »Duo Infernale« nichts anbrennen lassen… Danach trennten sich ihre Wege, April kehrte nach Italien zurück, wo ihr Vater sich inzwischen ansässig gemacht hatte, Nicole wurde Professor Zamorras Sekretärin. Bei den seltenen Gelegenheiten, an denen sich ihre Wege kreuzten, ließen sie die alten, wilden Zeiten wieder aufleben, manchmal noch viel ausgelassener als damals.
    Dabei hatte Nicole den Eindruck, dass April heute entschieden jünger aussah als bei der letzten Begegnung. »Wie lange ist es her, dass wir uns das letzte Mal sahen?«, fragte sie und wusste im gleichen Moment die Antwort darauf: »Vor etwa eineinhalb Jahren… Bei deiner Geburtstagsparty… Der Einsatz gegen diesen Tiefsee-Dämon, im Golf von Mexiko…«
    »… bei dem Carlos Jimenez den Tod fand«, ergänzte Captain Munro düster. Er mochte meistens hart und abweisend erscheinen, seine Kommentare waren oft bissig oder verletzend, aber die Sache mit Jimenez ging ihm nach diesen Monaten noch an die Nieren. »Und wo dieser seltsame Ty Seneca an Bord war.« [1] Nicole winkte ab, Seneca, das negative Double von Robert Tendyke aus der Spiegelwelt, war ein Fall für sich. Besonders, seit der echte Tendyke wieder aus der Spiegelwelt zurück war.
    »Seneca stellt momentan keine Gefahr mehr dar«, sagte sie. »Die Dämonin Stygia hat ihn in ihre Gewalt gebracht. Er dürfte einiges zu tun haben, mit ihr zurecht zu kommen. Seneca ist Tendykes Doppelgänger aus einer anderen Welt. Der echte Tendyke ist wieder da und hat seinen Platz wieder eingenommen.« [2]
    April zuckte mit den Schultern. »Musst du mir bei Gelegenheit mal näher erklären.«
    »Reden wir lieber erst mal über etwas Schöneres«, schlug Nicole vor. »Warum wolltest du mir am Telefon nicht sagen, was der Grund eures Besuchs ist? Und weshalb sollte ich Zamorra nicht sagen, dass ihr kommt? Ihr seid doch sonst nicht solche Heimlichtuer… Ich meine, normalerweise lasst ihr die SE ASTAR II sonst fast nie aus den Augen…«
    »Heute ist eben nicht normal«, sagte Ran Munro schmunzelnd. Nicole stutzte. Sonst wirkte der Kapitän unnahbar, nicht so locker wie heute. Das musste der Aufenthalt auf Land ausmachen.
    April blickte Munro auffordernd an. Er nickte andeutungsweise, drehte sich um und öffnete die Beifahrertür des Mercedes SL. Er bückte sich und holte etwas mit einer Decke verhülltes Brettähnliches hervor. Nicole schätzte die Ausmaße des rechteckigen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher