Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0716 - Der Flammen-Friedhof

0716 - Der Flammen-Friedhof

Titel: 0716 - Der Flammen-Friedhof
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
erst im Winter abkühlte und dann eisig wurde.
    Natürlich gab es keine Heizung. Jede Wohnung hatte einen alten Ofen, die Brennmaterialien wurden immer zugeteilt. Oft stank es dann, weil die Abzüge nicht richtig funktionierten, aber es stank eigentlich immer in einer Siedlung wie dieser.
    Durch den Gang war das Haus in zwei Hälften geschnitten worden. Rechts und links verteilten sich die Wohnungen. Manche Fenster führten zum Hof hinaus, andere zur Straße.
    Das der Pilgrims lag an der Straßenseite. Es war ziemlich klein wie in allen Wohnungen und der Ausblick blieb gleich. Er war vorn hinaus ebenso traurig wie an der Rückseite.
    Doris blickte durch die Scheibe. Unregelmäßig gelegtes Pflaster bildete auf der Gasse eine Holperstrecke. Gegenüber stand noch eine alte Mauer. Früher hatte dahinter eine Spinnerei gelegen, aber das war lange her. Die Firma war mittlerweile in die Pleite gerutscht.
    Die Frau wandte sich wieder ab und strich durch ihr dunkles Haar. Ihre Mutter hörte das Seufzen und fragte mit leiser Stimme vom Bett her. »Du hältst es nicht mehr aus, nicht wahr?«
    »Ja, Mutter, ich drehe bald durch. Das hier ist einfach furchtbar. So etwas habe ich noch nie mitgemacht. Das ist doch kein Wohnen mehr, das hier nennt man Dahinvegetieren.«
    »Du hast Recht, Kind.«
    »Sicher habe ich Recht. Aber mach was daran.«
    »Du kennst meine Meinung.«
    Doris lachte. »Heirat, wie?«
    »Ja, wie früher. Das passt zwar nicht mehr in die heutige Zeit, aber wenn du dir einen Mann suchst…«
    Sie ließ die alte Frau nicht ausreden. »Kannst du mir sagen, wo ich mir einen Mann suchen soll? Hier etwa? Hier zwischen diesen widerlichen Typen und Kerlen, die wie Geier sind und nur darauf warten, eine Frau flachlegen zu können?«
    »Nein, das natürlich nicht…«
    Doris ging auf das Bett zu. »Oder in der Kneipe, wo ich hin und wieder bediene? Was meinst du, Mutter, was sich da aufhält? Das ist der Abschaum, die letzten Penner. Saufen und bumsen, das wollen sie…«
    »Sprich doch nicht so, Doris.«
    »Aber es ist die Wahrheit, verdammt! Außerdem solltest du mich mal anschauen. Ja, schau mich genau an. Sehe ich aus wie eine Frau mit fast dreißig Jahren? Nein, ich sehe aus wie jemand, der zehn Jahre älter ist, den dieses verfluchte Leben hier gezeichnet hat. Die Spuren in meinem Gesicht sieht ein Blinder. Da nützt nicht einmal mehr Schminke, denn die Jugend, Mutter, die kommt von innen und nicht durch irgendwelche Kosmetik.«
    »Ja, das glaube ich dir. Aber weißt du auch, wie du das alles ändern willst?«
    »Nein, Mutter, das weiß ich nicht. Ich komme eben nicht an die Orte, wo man den Mann fürs Leben kennen lernt, wenn du verstehst. Ich bin und bleibe unten.«
    »Wann hast du dich denn zuletzt nach einer Arbeit erkundigt?«
    »Vorgestern, Mutter.«
    »Davon hast du mir nichts erzählt.«
    »Aus guten Gründen nicht, Mutter. Es war mal wieder ein Schlag ins Wasser. Man will keine Friseusen haben. Wenigstens keine, die aus dieser Gegend kommen. Ich habe mich damit abgefunden, ganz unten zu bleiben. Es gibt keine Chance, das heißt, es gibt doch eine. Dieses verdammte Gebäude müsste einfach abbrennen. Es sollte kein Stein auf dem anderen bleiben, dann erst würde man aufmerksam werden. Es hat schon viele Brände in der letzten Zeit gegeben, aber wir sind verschont geblieben. Zufall, Pech oder Glück, ich weiß es nicht.«
    »Doris, du versündigst dich, wenn du das sagst.«
    Sie musste einfach lachen. »Wie kann man sich in diesem Dreckloch noch versündigen.«
    »Immerhin sind wir Menschen und keine Tiere.«
    »Klar, den Tieren geht es oft besser als uns. Davon bin ich fest überzeugt. Die Tiere leben, Mutter. Wir aber vegetieren dahin. Einfach so.«
    »Ich verstehe dich, Kind.«
    »Hoffentlich.« Sie setzte sich auf den Stuhl am Tisch und starrte ins Leere.
    »Musst du denn heute Abend wieder kellnern?«
    »Nein, der alte Puff ist heute geschlossen. Ich hätte auch keinen Bock darauf gehabt.«
    »Dann bleibst du hier?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Was heißt das denn?«
    »Ach, ich – ich muss einfach mal auf den Hof gehen. Ich halte es hier nicht aus. Diese Mauern kommen mir vor wie Schlammwände, die sich immer mehr auf uns zu bewegen und uns irgendwann zerdrücken werden. Das ist eine verfluchte Höhle, Mutter.«
    »Du weißt, dass ich nicht so denke.«
    »Ja, Mutter, du stammst aus einer anderen Zeit, wo man noch dankbar war. Aber soll ich hier dankbar sein? Soll ich für die Scheiße hier noch danke schön
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher