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0714 - Die Totenfrau ist da

0714 - Die Totenfrau ist da

Titel: 0714 - Die Totenfrau ist da
Autoren: Jason Dark
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zumeist im letzten Jahrhundert zur Welt gekommen. In der Regel schritt ich an Familiengruften vorbei.
    Sie alle wirkten sehr gepflegt, man hatte sie nicht verkommen lassen. Oft leuchteten frische Blumen, und ich sah sogar die Sonnenblumen, die zu dieser Jahreszeit paßten.
    Der September hatte Einzug gehalten. Für mich ein trauriger Monatsbeginn, wenn ich an das Schicksal meines Freundes Suko dachte, der seine Kindsgestalt noch immer nicht verloren hatte und ich noch keine Chance sah, dies zu ändern.
    Ich war auch zu dieser Beerdigung gekommen, weil ich aus meinem dienstlichen Dunstkreis hatte flüchten wollen. Die Niederlagen der letzten Tage hatten mir verdammt zugesetzt, und ich sah für meinen Freund einfach keine Chance.
    Dr. Hyram Scott. Wie oft denkt man über die Person nach, zu deren Beerdigung man geht. Er war einer meiner Lieblingsprofessoren gewesen, auch wenn er häufig sehr streng gewesen war.
    Der Kontakt zwischen uns war natürlich abgebrochen, doch durch meinen alten Herrn, mit dem er befreundet war, war er über meinen Job gut informiert gewesen.
    Auf dem Friedhof war es still. Ich hörte nur meine eigenen Schritte und entdeckte auch keine Besucher, wie auf den Friedhöfen, die mehr im Zentrum von London liegen. Sie waren zumeist ein Anlaufort für ältere Menschen, die sich auf dem Gelände wohl fühlten.
    Hier nicht.
    Dabei verschwanden die alten Gräber und auch das alte Gestrüpp oder die dunkelgrün schimmernden Hecken, die oftmals die Gruften umrahmten. Mein Blick weitete sich, er glitt nach rechts, und ich sah den Hügel, wo ein neues Gräberfeld angelegt worden war. Allerdings nicht so uniform, wo Grab neben Grab stand wie auf, den Parkplätzen die Parktaschen, zwischen ihnen gab es genügend Platz, und manche bildeten auf dem flachen Hügel regelrechte Inseln.
    Ich verließ den Hauptweg und folgte einem mit hellen Steinen bestreuten Pfad, der zu dem Hügel führte, wo sich die Trauergäste um das Grab des Verstorbenen versammelt hatten. Die Stimme des Pfarrers wehte, mir entgegen. Ich konnte nicht alles verstehen, was der Mann sagte, nur Fetzen erreichten meine Ohren, und die dunkle Soutane flatterte im Wind.
    Ich näherte mich der Gruppe von Trauergästen und hatte bereits auf dem Weg dorthin zahlreiche Gesichter erkannt. Diese Herren hatten mich auf einem Teil meiner jungen Jahre begleitet.
    Lehrer von der Uni, gestandene Professoren, älter geworden, von Wehmut gezeichnet.
    Mein Vater war nicht gekommen. Er war verhindert gewesen und hätte es zeitlich nicht geschafft.
    Ich hatte aber mit ihm telefoniert, und er hatte mich gebeten, Selma Scott, der Witwe, sein Beileid zu übermitteln. Außerdem hatte er einen Kranz geschickt.
    Und Kränze sowie Blumengebinde gab es genügend. Sie bildeten einen Ring um das offene Grab, in das der Sarg bereits hineingelassen worden war. Ich hörte das Schluchzen, das leise Weinen und sah Männer und Frauen in meinem Alter, die früher die Vorlesungen von Professor Scott besucht hatten.
    An einige konnte ich mich noch erinnern, anderen waren mir unbekannt.
    Am Himmel hingen noch immer die grauen Wolken. Es war ein trüber Tag, daran würde sich auch nichts ändern, und das Wetter paßte zu der traurigen Stimmung.
    Der Pfarrer hatte seine Trauerrede beendet. Er wurde von einem würdig aussehenden Herrn abgelöst, der seinen Zylinder abnahm, als er sprach. Es war der Dekan der Universität, ich kannte ihn noch von meiner Zeit her. Er lobte den Verstorbenen als einen Mann, auf den stets Verlaß gewesen war, und an den sich noch viele Juristen lange und gern erinnern werden würden. Und das stimmte auch.
    Dr. Hyram Scott war ein außergewöhnlicher Mensch gewesen. Was hier am Grab erzählt wurde, glich keinem Lügengebilde wie so oft bei Beerdigungen, wo gelogen wurde, daß sich die Balken bogen.
    Ich wechselte meinen Standort, ging dorthin, wo einige Frauen standen, die meisten davon in tiefes Schwarz gekleidet.
    Ich kannte keine von ihnen. Die meisten waren älter, einige Gesichter waren hinter Schleiern versteckt, aber wenn der Wind den einen oder anderen Schleier mal hochhob und ich in die Gesichter blicken konnte, so las ich darin wenig Trauer. Die meisten zeigten eine gewisse Verbissenheit, vielleicht auch Wut, was mich wiederum etwas irritierte. An den Mundbewegungen fand ich heraus, daß sich die Frauen leise unterhielten. Da ich schon von Berufs wegen zu den neugierigen Menschen gehörte, bewegte ich mich leise auf sie zu, um verstehen zu können,
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