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070 - Komplott der toten Moerder

070 - Komplott der toten Moerder

Titel: 070 - Komplott der toten Moerder
Autoren: Fritz Steinberg
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wie die fremde Stadt um ihn her wogte. Ab und zu rempelte ihn jemand an, sagte je nach Temperament „Pardon Monsieur’ oder ‚Passen Sie doch auf!’
    Erst der Klang einer tiefen, mächtigen Glocke erlöste ihn aus diesem Zustand.
    Bilder von Notre Dame hatte er auf einem Prospekt im Flugzeug gesehen. Aber als er jetzt so dicht davorstand, kam sie ihm wie ein erdrückendes Felsengebirge vor.
    Plötzlich mußte er an den blutüberströmten Körper der Frau denken, die seine Hände qualvoll zu Tode gemartert hatten. Das Felsengebirge Notre Dame schien auf ihn herabzustürzen, und darunter atmete Hassan Marfadra qualvoll weiter. Er fühlte sich seelisch und körperlich wie ein Toter. In seiner Kehle schien Sand zu sein und in seinen Gelenken Blei. Sein Magen rebellierte. Sein Gehirn schien aus zentnerschwerem Gallert zu bestehen. Er stolperte die Portaltreppen hoch und trat in den wohltuenden Schatten der Kathedrale. In diesem Augenblick schwieg die Glocke.
    Stille umgab ihn. Das himmelstrebende Säulengewölbe beeindruckte ihn sehr. Betende Menschen knieten oder saßen auf den Bänken. Er befand sich in einer Moschee der Christen, die den Propheten leugneten.
    Er verkroch sich in den tiefsten Schatten des Kirchenschiffs. Er begann zu beten: „Vollkommen und von Mängel frei bist du, oh Gott, und dein ist der Ruhm, und gesegnet dein Name …“ Er kannte die Worte, wie er seinen Atem kannte. Sie waren die Eröffnung des muselmanischen Gebets.
    „Wahrlich, Allah hat den Menschen aus trockenem, tönendem Lehm erschaffen“, zitierte er aus der Koran-Sure Al-Hidschra. „aus schwarzem, zu Gestalt gebildetem Schlamm. Und die Dschinn erschuf Er zuvor aus dem Feuer des heißen Windes. Und gedenke der Zeit, da dein Herr zu den Engeln sprach: ‚Ich bin im Begriff, den Menschen aus trockenem, tönendem Lehm zu erschaffen, aus schwarzem, zu Gestalt gebranntem Schlamm. Wenn Ich ihn nun geformt und ihm von meinem Geist eingehaucht habe, dann fallet vor ihm dienend nieder. Da fielen die Engel alle zusammen nieder. Nicht also Iblis.
    Er weigerte sich, unter den Niederfallenden zu sein … Und er sprach: ‚Wahrlich, ich will ihnen auf Erden das Böse verlockend erscheinen lassen, und wahrlich, ich will sie irreleiten!“
    Aber heute spendeten die vertrauten Worte der muselmanischen Teufelslegende keinen Trost. Hassan wurde sogar noch unheimlicher zumute, als ihm gleich darauf ein Vers aus der Sure Al-An’am einfiel: „Kann denn einer, der tot war und dem Allah Leben gab und dem Er ein Licht machte, um damit unter den Menschen zu wandeln – kann so einer dem gleich sein, der von schwärzester Finsternis umfangen ist?“
    Ja – es war unheimlich hier, in dieser Moschee der Christen. Dennoch blieb er mit dem Instinkt des Gejagten im Dämmerlicht der großen Kirche sitzen. Nur so erklärt es sich, daß die Pariser Polizei ihn nicht schon nach wenigen Stunden festnahm.
     

     

Zwei Hinweise waren für die Fahndung bedeutsam: Eine Putzfrau hatte die grausam zugerichtete Tote bereits früh am Morgen gefunden – und eine Nachbarin hatte Landru-Marfadra durch ihre Jalousien hindurch beobachtet, wie er aus dem Kellerschacht auf die Straße gestiegen war. Und was ausschlaggebend war: Sie hatte eine äußerst genaue Beschreibung des Täters geliefert.
    So konnte die Polizei mit Hilfe jenes Legespiels verschiedener Gesichtsformen– und züge, aus dem sie nach Zeugenaussagen die „Fotos“ von Unbekannten zusammensetzt, zu einem ausgezeichneten Fahndungsbild kommen. Während Marfadra seine Blicke voll dumpfer Verzweiflung zwischen den Mosaikfenstern und den Heiligen-Altären von Notre-Dame umherwandern ließ, hatte jeder Polizist schon dieses Fahndungsbild in der Tasche, hinzu kam eine genaue Beschreibung von der abgeschürften, halb zerrissenen Kleidung des Flüchtigen. Diese Kleidung allein wäre ihm draußen auf den Straßen zum Verhängnis geworden.
     

     
    Es war Inspektor Jacques Leburton vom Diebstahlsdezernat, das in diesem Fall nicht zuständig war, der das eigentlich Seltsame an dem künstlichen Täterfoto entdeckte. Leburton war jung und ehrgeizig. Er hatte den Kopf voll verrückter Ideen, und deshalb war er ja auch in das Diebstahlsdezernat abgeschoben worden, das nicht gerade als Sprungbrett für große Karrieren galt. Dieser Leburton begegnete auf der Präfektur-Treppe zufällig seinem Kollegen Morricourt von der Mordkommission.
    „Hallo, Antoine“, sagte Leburton. „Wie du heute aussiehst. Ist dein Chef ein
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