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0654 - Unter dem Vampirmond

0654 - Unter dem Vampirmond

Titel: 0654 - Unter dem Vampirmond
Autoren: Werner Kurt Giesa
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inzwischen wieder jung genug dafür. Und die Nacht war nicht zu kühl.
    Er fuhr nicht auf die Autobahn, sondern bog vorher ab. Hinaus aus der Stadt. Fast bedauerte er es; der Wagen war nicht zum Langsamfahren gebaut. Die straffe Kupplung erforderte Kraft beim Durchtreten und neigte dazu, die bullige Maschine abzuwürgen, weil sich auch die Gänge schwer und hakelig schalten ließen.
    Im ersten Gang auf Tempo hundert, im zweiten auf hundertsechzig, im dritten auf zweihundert und über den vierten und fünften auf die Höchstgeschwindigkeit von rund 350 km/h - das war's, was dieses Auto wollte. Und sich im ersten oder zweiten Gang mit Tempo 50 durch die Stadt zu quälen, war lautstarke Folter.
    Na schön, also der Waldweg.
    Wald gab's an dieser Straße nicht, aber einen Feldweg, in den LeVaron den Wagen lenkte. Stoppen, Motor aus. »Bequem haben wir es hier drinnen aber nicht, wir sollten lieber…«
    Seine nackte Beifahrerin beugte sich über ihn. »Still«, hauchte sie. »Laß mich nur machen. Ich weiß, wie es Spaß macht.«
    Ihr.
    Nicht ihm.
    Weil Sterben nichts Spaßiges hat.
    ***
    Nicole Duval fühlte sich einigermaßen gut, während sie das '59er Cadillac-Cabrio durch Lyon lenkte. Sie hatte sogar das Verdeck per Knopfdruck elektrisch geöffnet und genoß den Fahrtwind auf der nackten Haut. Die Mainacht war warm. Und wenn's zu kühl würde, reichte ein weiterer Knopfdruck, um das Verdeck wieder zu schließen.
    Kaum störender Verkehr auf den Straßen. Kein Wunder um diese Zeit - fast drei Uhr nachts. Eigentlich hatten sie jetzt heimfahren wollen, ins Château Montagne an der Loire. Daß sie jetzt versuchten, dem roten Diablo zu folgen, war in Nicoles Augen Blödsinn. Sie machte es, um ihrer Freundin einen Gefallen zu tun. Selbst versprach sie sich herzlich wenig davon.
    Zweimal sah es so aus, als würden sie den Sportwagen verlieren, aber dann sahen sie ihn jedesmal wieder, und Nicole und Patricia wunderten sich, warum er nicht auf die Autobahn fuhr, sondern vorher eine andere Richtung einschlug. Französische Autobahnen waren fürs Schnellfahren nicht unbedingt das Paradies, aber manche Streckenabschnitte zwischen den Mautstellen waren lang genug, zwischendurch doch mal richtig aufs Gaspedal zu treten - in der Hoffnung, daß niemand anhand der Maut-Quittungen die Fahrzeit kontrollierte und daraus die jeweilige Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit errechnete, wie es mittlerweile häufig in Italien geschah.
    Draußen vor der Stadt waren sie dann praktisch allein; kein anderes Fahrzeug war hier unterwegs. Nicole hatte die Scheinwerfer abgeschaltet und rollte gemächlich hinter dem langsam fahrenden Lamborghini her. Dessen Rücklichter waren weit entfernt und kaum zu sehen. Nicole wollte schließlich nicht zu dicht aufrücken.
    Plötzlich waren die Rücklichter weg.
    »Abgebogen«, stieß Patricia hervor. »Gib Gas!«
    Nicole trat das Pedal durch. Die 8,2 Liter Hubraum grollten nur unwesentlich lauter, als der Cadillac einen Satz nach vorn machte. Prompt hielt die Schottin sich krampfhaft irgendwo fest. »Nicht so schnell«, keuchte sie.
    Nicole nahm den Fuß vom Pedal. Der Cadillac wurde allmählich langsamer. »Da!« stieß Patricia plötzlich hervor. »Stop, hier ist er…«
    Nicole sah es auch und bremste ab. Ein dunkler, unbeleuchteter Schatten auf einem Feldweg neben der Straße.
    »Mädchen, wir stören da nur«, war Nicole sicher. »Komm, laß uns zurückfahren. Oder willst du unbedingt deinen Knackhintern-Schwarm beim Bumsdings… Dingsbums… wobei auch immer… aufschrecken? Ist dir überhaupt klar, wie schädlich ein coitus interruptus für die männliche Psyche ist?«
    »Nicht nur für die«, murmelte Patricia. »Verdammt, Nicole, darum geht es mir doch gar nicht!«
    Sie öffnete bereits die Tür des Cadillac, noch ehe der Wagen zum Stehen kam. Nicole bremste ruckartig. Patricia sprang nach draußen und lief auf den Feldweg zu und über ihn zum Lamborghini.
    »Verdammt noch mal, nun warte doch«, rief Nicole ihr nach, ohne Gehör zu finden.
    Sekundenlang sah sie der Schottin nach. Dann gab sie wieder Gas; so ruckartig, daß die Beifahrertür durch die Massenträgheit und den schwachen Luftwiderstand zuklappte. Nicole rangierte den Cadillac rückwärts in den Feldweg und schloß zu Patricia und dem Sportwagen auf.
    Ein paar Meter entfernt stoppte sie.
    Sah, wie Patricia einen Blick durchs Fenster ins Innere des Autos warf.
    Hörte, wie Patricia gellend aufschrie.
    ***
    Zu spät, dachte Nicole.
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