Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0648 - Die Stunde des Ghouls

0648 - Die Stunde des Ghouls

Titel: 0648 - Die Stunde des Ghouls
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
ermattend. Serpio muß es wissen, war eine geflügelte Redensart. Serpio war der einzige, der ein Fernsehgerät besaß, und der ständig außerhalb des Dorfes unterwegs war, weil er in Torreón arbeitete. Somit war er für alle anderen eine reichhaltige Nachrichtenquelle, wenn er für ein verlängertes Wochenende nach Hause kam.
    »Ist das eine neue Masche, mich abzutörnen?« fragte Jaime verärgert.
    »Vielleicht kommen die Ghouls ja hierher…«
    »So ein Blödsinn!« knurrte Jaime und überlegte ernsthaft, sich wieder anzuziehen und den Abend aus dem Kalender zu streichen. War wohl ein Fehler gewesen, den Friedhof auszuwählen. Diese dumme Pute stellte sich an wie der erste Mensch. Versaute ihm die ganze Stimmung. Dabei hatte er es sich so affengeil vorgestellt, ausgerechnet hier, auf dem zweitverbotensten aller Plätze…
    »Laß die Ghouls ruhig kommen«, sagte er verdrossen. »Ghouls fressen Leichen. Sehen wir etwa wie Leichen aus?«
    »Noch nicht«, sagte jemand hinter ihm. »Aber das läßt sich schnell ändern…«
    ***
    Carlo Destinato gefiel es überhaupt nicht, aber er mußte dem Sippenchef gehorchen. Auch wenn er dessen Idee für das Endprodukt hochgradigen Schwachsinns hielt. Gormon wollte sich auf den Thron des Lucifuge Rofocale setzen? Man hätte darüber lachen können, aber Gormon meinte es offenbar ernst.
    Nur würde ihn niemand ernst nehmen, falls es ihm tatsächlich gelang. Die anderen Dämonenfürsten würden ihn auslachen. Ein Ghoul als Herr der Hölle? Das war undenkbar, völlig unmöglich. Keine Dämonensippe würde sich einem Ghoul unterordnen. Selbst der mit einer gehörigen Menge Ehrgeiz und Machtsucht gesegnete Carlo Destinato war nicht so vermessen, das zu erhoffen.
    Aber Gormon hatte befohlen, und Destinato mußte gehorchen. Die Alternative war, sich offen gegen Gormon zu stellen. Die Folge wäre ein Zweikampf. Aber Gormon war so stark wie dumm, und Destinato wurde von der für Ghouls charakteristischen Feigheit beherrscht. Also verzichtete er auf einen solchen Kampf. Vielleicht, hoffte er, ergab sich irgendwann die Möglichkeit, Gormon zu ermorden - oder ihm einen Dämonenkiller wie diesen Ombre auf den Hals zu hetzen.
    Aber Destinato begab sich mit einem sehr unguten Gefühl in Richtung Louisiana.
    In Richtung Baton Rouge.
    In Richtung Hafenviertel.
    Dort sollte jener Ombre sein Unwesen treiben.
    Aber es war eine Sache, von ihm zu hören; eine andere war es, ihn zu finden. Der Schatten schien eher in der Unterwelt bekannt zu sein, und dort gab es eine Regel: »Du findest den Schatten nicht. Der Schatten findet dich.«
    Doch darauf wollte Destinato es nicht unbedingt ankommen lassen.
    Gefunden zu werden, war ihm zu riskant, und er verließ sich auch nicht auf das Versprechen Gormons, ihn mit all der magischen Kraft der versammelten Gemeinschaft zu beschützen.
    Destinato machte es auf seine Weise. Er brauchte seine Zeit dafür; so lange, daß Gormon ihm einen Kurier hinterher sandte, der ihn zur Eile nötigen sollte. Destinato schickte diesen Kurier wieder zurück: Der Große Gormon möge sich in Geduld fassen.
    Vermutlich schäumte der Große Gormon inzwischen vor Wut.
    Destinato wußte, wie ungeduldig Gormon war, aber er wollte auch keinen Fehler begehen. Auch ein Ghoul hat nur ein Leben.
    Immerhin gab es in Baton Rouge keine anderen seiner Art, was ihn ein wenig erstaunte. Allerdings hatte er so eine reichhaltige Speisekammer vor sich, die er mit niemandem zu teilen brauchte. Der Friedhof war groß, und die einzige Arbeit bestand darin, unterirdische Gänge zu graben.
    Allerdings dauerte es nicht sehr lange, bis Destinato begriff, weshalb es hier niemanden außer ihm selbst gab. Der Mississippi war zu nahe und der Grundwasserpegel zu hoch; die von ihm frisch gegrabenen Gänge wurden durchspült, und der Ghoul wäre um ein Haar ertrunken.
    Das gemahnte ihn denn doch etwas zur Eile.
    Und schließlich erfuhr er, wo er Ombre treffen konnte.
    Recht zögerlich bereitete er sich darauf vor und hoffte, daß er diese Sache tatsächlich überlebte.
    ***
    Jaime wurde bleich. Entgeistert starrte er die Gestalt an, die zu ihm gesprochen hatte. Jesúsa schrie auf, riß sich von ihm los und stolperte ein paar Schritte zurück, fiel über eine Grabkante. In panischer Furcht versuchte sie, ihre Blöße mit den Händen zu bedecken.
    Jaime stand schreckensstarr da. Von seinem Macho-Gehabe war nichts mehr übriggeblieben. Er war nicht einmal in der Lage, an die beiden Mädchen zu denken. Er hatte nur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher