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0648 - Die Stunde des Ghouls

0648 - Die Stunde des Ghouls

Titel: 0648 - Die Stunde des Ghouls
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Destinato. »Laßt mich wenigstens vorher noch einen Erben zeugen…«
    »… oder unseren Hunger stillen«, brummte Jim Romo.
    ***
    Jaime Hernandez fühlte sich sauwohl. An jeder Seite ein hübsches Mädchen, was wollte er mehr? Gut, da gab's noch etwas, aber das zu bekommen war kein Problem. Zumindest nicht bei Jesúsa. Maria, die ältere, hätte er natürlich auch gern vernascht, aber dann hätte er einen Mordsärger mit Jesúsa bekommen. Die war zwar kein Kind von Traurigkeit, aber den Liebhaber mit ihrer älteren Schwester zu teilen, war etwas, das sie niemals akzeptieren würde.
    Maria hatte damit nach eigenem Bekunden weniger Probleme, aber Jaime liebte Jesúsa und wollte sie auch heiraten. Deshalb verzichtete er schweren Herzens darauf, auch Maria in die Waagerechte zu bringen.
    Das Problem war, daß die Eltern der beiden Hübschen in altbackener Tradition darauf bestanden, zuerst müsse die Ältere verheiratet werden. Nur sah es damit vorerst noch traurig aus, denn sie war keine Jungfrau mehr, und das hatte sich leider überall herumgesprochen. Ihre Brüder hatten den Burschen, der Maria ihrer Unschuld beraubt hatte, zwar mittels langer, scharfer Messer seines Lebens beraubt - ein äußerst bedauerlicher, tragischer Unfall, wie die Polizei von El Palmito, die für dieses kleine Dorf mit zuständig war, in den Akten vermerkt hatte -, aber kein richtiger, den Traditionen verhafteter Mexikaner würde ein Mädchen heiraten, das von einem anderen entjungfert worden war.
    Was natürlich nicht hieß, daß Mann selbst sich Zurückhaltung auferlegte, sondern redlich bemüht war, so viele glutäugige, heißblütige Schönheiten wie möglich in die Kunst der körperlichen Liebe einzuweihen…
    Jaime machte da keine Ausnahme.
    Aber immerhin wollte er Jesúsa heiraten. Das hatte er schon vorher gewollt.
    Konnte er aber erst, wenn Maria unter die Haube gebracht war. Nur wollte die eben keiner haben, obgleich sie jung und hübsch war.
    Vielleicht, wenn man sie nach Monterrey oder Durango schickte; dort in den großen Städten würde sie Verehrer finden, die nicht so sehr auf Details achteten wie hier im kleinen Dorf am Rand der Sierra San Juan de Minas. Aber Maria wollte nicht von hier fort. Sie hatte Angst vor den vielen Menschen und den großen Häusern und den schnellen Autos.
    Und der Kaltherzigkeit und Anonymität in den Wohnblocks.
    Und ihre Eltern wollten das Kind natürlich auch nicht so weit fortgeben. Man heiratete möglichst innerhalb einer Umgebung, die zu Fuß erreichbar war, damit die Altvorderen den jungen Leuten ständig in den Kochtopf und möglichst auch ins Schlafzimmer gucken konnten.
    Nun gut; daß Jaime und Jesúsa auf ihre Hochzeit noch warten mußten, bedeutete nicht, daß sie sich nicht so oft wie möglich einen Vorgriff auf die ehelichen Freuden gönnten; auf eheliches Leiden konnten sie verzichten, bis sie mit Ring, Brief und Siegel und dem Segen des Priesters vereint waren, bis der natürliche Tod oder der Mord sie schied.
    Dummerweise durfte Jesúsa abends nie allein das Elternhaus verlassen. Glücklicherweise reichte es ihren Eltern, wenn Maria als Anstandsdame mitkam,; daß ein junger Bursche so vermessen war, den Begriff »Anstand« aus dem Wortschatz zu streichen, und daß Maria das anstandslos zuließ, damit rechneten die alten Herrschaften und auch die messergewandten Brüder nicht. Sie gingen davon aus, daß kein anständiger Mann ein Mädchen in sein Bett nahm, wenn ein anderes Mädchen dabei war.
    Aber erstens war Jaime kein anständiger Mann, und zweitens mußte es ja nicht unbedingt ein Bett sein.
    Die Liegesitze des vom Vater geliehenen Autos… eine Waldlichtung… das Flußufer, ein leerstehender Schuppen am Dorfrand… es gab noch viele andere Möglichkeiten, von denen sie schon etliche ausprobiert hatten.
    Nicht immer, aber immer öfter.
    Diesmal waren sie zum Friedhof gegangen.
    Ein halbes Hundert Grabsteine ragten mehr oder weniger schief in den Nachthimmel, teilweise moosüberwachsen und so verwittert, daß die Inschriften kaum noch zu entziffern waren. Je älter die Gräber, um so prunkvoller waren die Steine gewesen. Je neuer die Grabstätten, um so ärmlicher die Ausstattung; manche jungen Gräber besaßen nicht einmal ein einfaches Holzkreuz. Ein deutliches Zeichen, wie es in den letzten hundertfünfzig Jahren mit dem Dorf bergab gegangen war. Die Menschen hier wurden immer ärmer; manche konnten für ihre Verstorbenen nicht einmal mehr einen einfachen Sarg
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