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0638 - Geliebter Vampir

0638 - Geliebter Vampir

Titel: 0638 - Geliebter Vampir
Autoren: Werner Kurt Giesa
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ihr genug Geld, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Daß sie hin und wieder für besonders gut zahlende Gäste etwas mehr tun mußte als tanzen, daran hatte sie sich schulterzuckend gewöhnt. Es gefiel ihr zwar überhaupt nicht, aber es blieb ihr nicht sehr viel anderes übrig, wenn sie ihren Job behalten wollte. Und dann kam natürlich jedesmal auch etwas mehr Geld herein…
    Aber an diesem Abend, in dieser Nacht, war es wirklich schlimm.
    Ein Mann starrte sie an.
    Gut, das war eigentlich der Sinn der Sache. Dafür tanzte sie, daß die Männer ihren Körper anstarrten. Aber normalerweise sah sie von ihrem ehrenwerten Publikum kaum etwas, wenn sie auf der Bühne stand. Die war hell erleuchtet von farbigen Scheinwerfern, und die Tische im Lokal selbst lagen in einem Dämmerlicht, das kaum mehr zu erkennen erlaubte als Silhouetten.
    Doch sie sah die Augen dieses Mannes. Ganz deutlich, und in ihnen erkannte sie eine eigenartige Gier, die ihr Angst machte. Unter diesem Blick fühlte sie sich nackt.
    Es störte sie nicht, höchstens ein wenig Schmuck auf der Haut zu tragen. Dafür wurde sie bezahlt. Doch ihr war, als würde dieser Mann ihr mit seinen Augen mehr ausziehen als nur die Kleidung, als würde er sie bis auf die Knochen strippen. Am liebsten wäre sie schreiend davongelaufen. Aber sie mußte lächeln und tanzen, während der Mann sie mit seinem dämonischen Blick über Stunden hinweg anstarrte.
    Gegen zwei Uhr morgens hatte sie Feierabend. Immer noch nackt, betrat sie die kleine Garderobe, die sie sich mit einer Kollegin teilen mußte. Aber diese Kollegin glänzte heute durch Abwesenheit, hatte sich krankgemeldet.
    Deshalb hatte jetzt eigentlich Roquette noch weitermachen sollen. Aber da streikte sie. Vier Stunden lang alle zehn Minuten für wenigstens eine Viertelstunde auf die Bühne, den Körper nach unmöglichen Melodien so verrenken, daß das männliche Publikum möglichst viel zu sehen bekam - das reichte. Roquette war fix und fertig. Und sie wollte nicht länger von dem Unheimlichen angestarrt werden, sie wollte nur noch nach Hause, unter die Dusche, und sich dann in ihrem Bett ausstrecken.
    Sie ahnte, daß es Ärger geben würde. Gewaltigen Ärger. Spätestens dann, wenn ihre Kollegin wieder da war. Oder wenn der Chef ein anderes Mädchen fand. Dann war Roquette ihren Job los. Dem Chef widersprach man nicht; man tat, was er verlangte.
    Schließlich war die Konkurrenz erdrückend groß. Es gab tausende hübscher Mädchen, die nur darauf warteten, Roquettes Stelle zu bekommen. So miserabel und entwürdigend dieser Job auch war.
    Als sie eintrat, stellte sie fest, nicht allein in der kleinen Kabine zu sein.
    Der Unheimliche war hier!
    Das erste, was sie sah, waren seine durchdringenden, stechenden Augen, war der Blick, der sie regelrecht zu sezieren schien. Wie vorhin, nur jetzt noch viel näher, viel beängstigender.
    Sie reagierte instinktiv, ohne nachzudenken. Sie nahm Maß und langte zu.
    Der Mann stöhnte auf. Er taumelte zurück. Roquette holte vorsichtshalber noch einmal aus, da duckte er sich. »Hören Sie auf! Ich will Ihnen doch nichts tun, Mademoiselle! Gehen Sie mit jedem Ihrer Verehrer so um?«
    »Meine Verehrer lauern mir nicht hier auf«, fauchte sie ihn an und begann sich hastig anzuziehen. Normalerweise hätte sie sich erst in Ruhe abgeschminkt, hier aber war ihr eher daran gelegen, dem Fremden nicht mehr splittérnackt gegenüberzustehen. Aber dann, als sie ihre Kleidung wieder trug, fühlte sie sich immer noch bloß. Es war, als habe sich nichts geändert. Das Gefühl kam von innen, und sie konnte nichts dagegen tun.
    »Ich möchte Sie einladen, mit mir zu kommen«, sagte der Unheimliche. »Das, was Sie hier machen, ist doch nichts für Sie. Sie verdienen es, einem besseren Zweck zu dienen.«
    »Zu dienen ?« echote sie entgeistert. »Sind Sie wahnsinnig?«
    »Ich bin Siro Borga«, sagte er, als wäre das das Gegenteil. »Bitte kommen Sie mit.«
    »Sie sind wahnsinnig«, keuchte Roquette. »Verschwinden Sie, solange Sie noch können! Ich…«
    »Sie werden niemanden herbeirufen, der mich aus dem Haus prügelt«, sagte der Mann mit dem seltsamen Namen Siro Borga gelassen. »Sie werden mit mir kommen und dieses Haus nie wieder betreten.«
    Sie versuchte sich dagegen zu wehren.
    Aber es gelang ihr nicht. Auf eine unbegreifliche Weise hatte der Unheimliche Macht über sie erlangt. Er dirigierte sie vor sich her wie eine Marionette. So sehr sie sich innerlich auch sträubte - sie
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