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0635 - Der achtarmige Tod

0635 - Der achtarmige Tod

Titel: 0635 - Der achtarmige Tod
Autoren: Werner Kurt Giesa
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mit Waffen umzugehen. Immerhin mußte er jagen, damit die Gruppe etwas zwischen die Zähne bekam - zumindest solange er zu ihr gehört hatte -, und er mußte sich und die anderen auch verteidigen können. Deshalb hatte er gelernt, alle Waffen, die für ihn in Frage kamen, so meisterhaft wie möglich zu beherrschen. Aber nur zur Verteidigung, nicht zum Angriff und nicht zum Bedrohen anderer Menschen.
    Und doch hatte er das nun getan.
    Er hatte auf einen Fremden geschossen.
    Dann war er davongelaufen.
    Er wußte plötzlich, daß er in der vergangenen Nacht schon einmal getötet haben mußte; unter seinen Fingernägeln klebte getrocknetes Blut, das keinesfalls von ihm selbst stammte. Aber er konnte sich nicht erinnern, was sich da abgespielt hatte.
    Er war nahe daran, den Verstand zu verlieren.
    Er hatte getötet? Er, dem selbst eine Schlägerei schon zuwider war und der froh über seine muskulöse Gestalt war, die allein schon ausreichte, viele andere einzuschüchtern. Nur wenige trauten sich wirklich an ihn heran.
    Und nun schien alles so erschreckend anders.
    »Warum ich?« murmelte er. »Was geschieht mit mir? Was tue ich?«
    Da war ein vages Erinnerungsbild; ein verschwommener Schatten: Ein Mann, der ging und aussah wie eine Katze ohne Fell. Aber war es nicht doch nur ein böser Traum gewesen?
    »Lieber…«
    Lieber Gott, hatte er sagen wollen. Zu seinem Entsetzen brachte er das Wort jedoch nicht über die Lippen. Etwas in ihm verkrampfte sich dabei. Er konnte seinen Schöpfer nicht anrufen, nicht zu ihm beten und seinen Beistand erflehen!
    Das erschreckte ihn noch mehr als alles andere.
    »O nein!« flüsterte er verzweifelt. »Was soll ich nur tun?«
    Die Muskete nachladen… vorsichtshalber…
    Mit mechanischen Bewegungen tat er es. »Was ist mit mir passiert?« Er fand keine Antwort. Aber er verspürte plötzlich wieder Durst.
    Nicht nach Wasser…
    Da war der Drang, Fingernägel und Zähne in Fleisch zu schlagen und Blut zu trinken.
    Hercules dumpfes Stöhnen wurde zum verzweifelten Schrei!
    ***
    Tamote hatte eine üble Niederlage erlitten.
    Das fraß an ihm.
    Nicht, weil er vielleicht persönlichen Ehrgeiz entwickelte und es nicht vertragen konnte, daß jemand besser war als er.
    Es ging ihm um das Wohl des Stammes.
    Die Männer, die mit Häuptling Katana das Rundhüttendorf verlassen hatten, um zu jagen und Fleischvorräte für den Winter zu beschaffen, vertrauten ihm. Er war ihr Medizinmann, ihr Schamane, ihr Zauberer, der mit den Geistern der Ahnen sprach und die Lebenden mit seinem Zauber schützte.
    Noch fühlten sie sich nicht in Gefahr.
    Aber sie waren es, dessen war Tamote sicher. Die beiden Fremden waren Zauberer, die gekommen waren, die Krieger der hohen Klippe zu verderben. Zuerst hatte Tamote gedacht, nur der Schwarzhäutige in seiner entsetzlich bunten Kleidung sei ein Zauberer. Ihn hatte er immerhin bei seiner Magie beobachtet. Aber jetzt stellte sich heraus, daß auch der dicke Mann mit dem unaussprechlich langen Namen und dem roten Haar im Gesicht des Zauberns kundig war!
    Wer sollte allein gegen solche Gegner bestehen?
    Tamote und Katana hatten erst den dicken Mann gefangennehmen lassen. Tamote hatte den Gefangenen dann als Köder benutzt, um damit den Schwarzen zu fangen. Das hatte auch funktioniert; als er Magie benutzte, um seinen Herrn zu befreien, hatte Tamote eingegriffen und ihn kampfunfähig gemacht. Aber als er ihn dann hier im Lager töten wollte, griff der Dicke ein.
    Er war durch die Aktion des Schwarzen freigekommen, hatte sich sogar wieder bewaffnen können.
    Und er hatte Tamotes Zauber abgewehrt !
    Er war also auch ein Zauberer!
    Und beide befanden sich hier im Lager. Das entsprach eigentlich nicht Tamotes Absicht. Er hatte die beiden Zauberer unschädlich machen wollen. Doch das Gegenteil war eingetreten. Sie waren jetzt hier und schienen unangreifbarer als zuvor. Es blieb nur eine Möglichkeit, ihrer Herr zu werden - nicht in einer offenen, ehrlichen Auseinandersetzung, sondern durch heimtückischen Mord.
    Aber allein der Gedanke daran war schmerzlich.
    Tamote war kein Mörder. Er war ein Mann, der sein ganzes Leben lang die Ehre über alles gestellt hatte. Doch jetzt sah er sich immer mehr dazu gedrängt, die beiden Zauberer zu meucheln, weil er ihnen anders nicht mehr entgegentreten konnte, ohne den Kampf zu verlieren.
    Er wußte, daß er das nicht den anderen überlassen konnte. Er war sicher, daß jeder der Jäger sein Leben verlieren würde, wenn er einen dieser Zauberer
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