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0631 - Eine Handvoll Monster

0631 - Eine Handvoll Monster

Titel: 0631 - Eine Handvoll Monster
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Dabei wurde er überholt von Lady Patricia Saris, die aus dem Seitentrakt des Châteaus kam, in dem sie und ihr Sohn Rhett eine Reihe von Zimmern bewohnten. Von der vagen Ahnung beflügelt, daß sie vielleicht wisse, welchen Ursprung der unmögliche Krach hatte, streckte Zamorra den Arm aus, um sie festzuhalten, aber sie war schon an ihm vorbei.
    »Was ist denn los?« rief er ihr nach.
    Sie war schon halb die Treppe hinunter.
    »Dieses Monstrum hat meine Gitarre geklaut!«
    Zamorra hob die Brauen. Was da aus dem Parterre erklang, hörte sich eher nach einem Dutzend gegeneinander kämpfender Kater und rolliger Katzen an, denen jemand leere Blechdosen an die Schwänze gebunden hatte.
    Als Zamorra den ›Tatort‹ erreichte, fand er bereits Madame Claire vor, die Köchin, die täglich aus dem Dorf zum Château hinauf kam, um für das leibliche Wohl der Bewohner zu sorgen.
    Von der anderen Seite stürmte Raffael Bois heran, der alte Diener, ohne den Château Montagne überhaupt nicht vorstellbar war. Ihm auf dem Fuß folgte William, Lady Patricias Butler, der dem alten Raffael gern zur Hand ging und ihn unterstützte, wo er konnte.
    Hinter Zamorra tauchten das Para-Mädchen Eva und Zamorras Gefährtin Nicole Duval auf. Damit waren sie bis auf Sir Rhett, den inzwischen beinahe 5jährigen Sohn Patricias, erstmal vollständig.
    Inmitten der Eingangshalle bewegte sich ein eigenartiges Wesen.
    Aus einem wehenden Umhang und einer Mischung aus Gardine und Rüschenhemd schaute ein Krokodilschädel mit großen Telleraugen hervor. Kurze Stummelflügel hielten den Umhang in ständiger Bewegung. Ein Drachenschweif wedelte schwungvoll hin und her. Und mit den vierfingrigen Händen malträtierte das seltsame Wesen eine Gitarre. Zwischen den extrem blechernen Klängen hindurch ertönte die krächzende Stimme des Geschöpfes.
    »…Piep, Piep, Piep - Fooly hat euch lieb…!«
    »Ich glaub's nicht«, murmelte Zamorra.
    »Mister MacFool!« donnerte Butler William.
    Der kostümierte Jungdrache hieb mit den Krallenfingern wieder auf die Gitarrensaiten ein, erzeugte Töne, die er wohl für gelungene Akkorde hielt, und fuhr fort, einen seltsamen Text zu singen, der sich mal reimte und mal nicht. Dann wieder der Refrain: »Piep, Piep, Piep - Fooly hat euch lieb!«
    Lady Patricia stürmte auf selbigen zu und wollte ihm die Gitarre entreißen. Aber Mister MacFool geruhte sich ihr mit einer raschen Körperdrehung zu entwenden, flatterte ein Stück in die Höhe und riß eine Ritterrüstung um, die auf einem Sockel aufgestellt war. Scheppernd zerlegte sich das blankpolierte gute Stück in all seine Bestandteile, die sich über mehrere Quadratmeter Marmorfliesen verstreuten.
    »Gib sofort meine Gitarre her, du Scheusal!« tobte die schottische Lady gar nicht ladylike. »Ich dreh' dir Mistvieh den Hals um! Was, in Dreiteufelsnamen, machst du da?«
    Der Jungdrache unterbrach seine musikalische Darbietung und reckte, sich dabei drehend, die Gitarre so hoch, daß Patricia es nicht schaffte, sie ihm zu entreißen.
    »Ich übe!« krähte Fooly.
    »Du übst? Wie man ein Musikinstrument zerstört, wie?«
    »Kulturbanausin!« fuhr der Jungdrache sie an. »Was verstehst du schon von wahrer Musik?«
    »Eine ganze Menge!« hielt Patricia dagegen. »Bei uns in Schottland basiert Musik noch auf Können und Harmonie, und außerdem fragt man, bevor man anderen die Instrumente klaut.«
    »Ach, wenn doch in Schottland auch jemand die Zuhörer fragen würde, ob sie das Dudelsackgejaule auch wirklich hören wollen«, seufzte Madame Claire.
    Prompt fand Lady Patricia einen neuen Feind. »Gejaule? Was erlauben Sie sich? Wie können Sie es wagen…«
    Zamorra näherte sich derweil dem Drachen. »Von wahrer Musik ist das, was du hier aufführst, aber ziemlich weit entfernt. Was soll das?«
    »Pah«, machte der Drache verächtlich. »Ihr habt wirklich keine Ahnung. Dabei solltet ihr mir dankbar sein für das, was ich tue. Ich übe für meinen großen Auftritt! Ich werde nach Birmingham fliegen und da…«
    »Birmingham?« hakte Nicole ein. »Doch nicht etwa zur Auto-Ausstellung am 20. Oktober?«
    »Vielleicht wäre es effektiver, am 10. Oktober zum Buchmesse-Convent nach Frankfurt zu fliegen«, murmelte Zamorra. »Wer will sich schon einen Haufen scheußlicher Kleinwagen anschauen, wenn's Bücher zu sehen, Autogramme zu schreiben und Vorträge zu hören gibt…«
    »Papperlapapp! Bücher! Autos! Was Vernünftigeres fällt euch wohl nicht ein?« Der Drache wedelte mit der
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