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063 - Die linke Hand des Satans

063 - Die linke Hand des Satans

Titel: 063 - Die linke Hand des Satans
Autoren: Dämonenkiller
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denn er bekommt diesmal bloß einen Taler. Aber ihr wollt ja hören, was diese Diebin verbrochen hat. Seht ihr den Edelmann in Schwarz? Er sitzt zur Rechten des Richters in der Ehrenloge.“
    Alraune reckte den Hals. Ich brauchte mich nicht groß anzustrengen, um den bezeichneten Edelmann zu erblicken. Der machte mir in seiner protzigen und düsteren Pracht allerdings mehr den Eindruck eines Räuberhauptmanns. Er war ganz in schwarzes Leder gekleidet, und auf seinem fettigen, schmutzigen Gewand spiegelten sich ornamentartige geschmiedete Eisenbeschläge. Er trug einen Helm - ebenfalls aus Leder und Eisen - mit einem roten Federbusch darauf. Sein Gesicht war knochig. Er hatte stark hervortretende Backenknochen und eine gebogene, hervorspringende Nase, die einen schmalen, fast klingenscharfen Rücken hatte und unten breit in flatternden Nasenflügeln endete. Dazu trug er einen Spitzbart nach der Art spanischer Edelleute. Seine Brauen waren dicht und außen nach oben geschwungen, so daß sie, weil sie sich an der Nasenwurzel trafen, ein V bildeten. Seine Augen, deren Blick starr und bannend war wie der eines Raubvogels, glühten vor Bösartigkeit.
    „Das ist der Burgherr Ambrosius von Graucht", erklärte der Fremde. „Die Beschuldigte ist seine Magd, die die Güte ihres Herrn damit belohnte, daß sie seinen Siegelring stahl. Wie gesagt - mit der linken Hand."
    „Wie könnt Ihr im Zusammenhang mit diesem Mann von Güte sprechen?" erregte ich mich. „Er dünkt mir eher wie ein Scheusal, wenn er seine eigene Magd auf den Richtblock schickt."
    Die Henkersknechte hatten das sich verzweifelnd wehrende Mädchen mit den Armen in den Richtblock eingespannt. Ihr Kopf lag auf dem schweren Holz, ihre Arme ragten vom Ellenbogen an aus dem Block. Mit den Händen machte sie unsinnige, aus Verzweiflung geborene Greifbewegungen. Der Henker stand mit dem Schwert bereit.
    „Es würde den Verfall all unserer guten Sitten bedeuten, Herr", dozierte der Fremde weiter, „wenn man mit die sein Diebesgesindel Mitleid haben wollte. Strafe, wem Strafe gebührt."
    Alraune drängte mich in die Richtung der Richtstätte, bevor ich dem Fremden meine Meinung sagen konnte.
    „Können wir dem Mädchen nicht helfen, Georg?" fragte sie. „Vielleicht rettet er sie, wenn wir bei ihrem Herrn Gnade erbitten."
    In dieser Zeit wurden jeden Tag in vielen deutschen Städten ähnliche Urteile vollstreckt. Man gewöhnte sich daran, wurde Einzelschicksalen gegen über abgehärtet. Es änderte nichts, wenn man ein einzelnes Individuum vor dem Strick öder dem Scheiterhaufen rettete. Ich wußte schon längst, daß man das Übel - das Böse dieser Welt - an der Wurzel packen mußte.
    Doch Alraune kannte die Schrecken noch nicht, die die Welt zu bieten hatte. Ihr Erdendasein währte noch viel zu kurz, als daß sie abgebrüht hätte sein können.
    Und das war, fand ich, ein gutes Zeichen. Denn wenn Alraune noch Mitleid mit diesem anonymen Mädchen haben konnte, dann gab es die berechtigte Hoffnung, sie zum Guten zu erziehen und die Einflüsse des Bösen von ihr fernzuhalten.
    Um ihr ein gutes Beispiel zu bieten, mußte ich zumindest den Versuch unternehmen, bei dem grausam scheinenden Burgherrn in Schwarz um Gnade für die Verurteilte zu bitten. Wie hätte ich sonst Alraune ein Lehrer und Erzieher sein können?
    Sie mit mir an der Hand führend, bahnte ich mir einen Weg durch die Menschenmenge. Ich nahm wenig Rücksicht, schaffte mir Platz mit den Ellenbogen und schrie alle Proteste nieder.
    Wir kamen der Richtstätte rasch näher. Aber der Henker war nicht müßig gewesen. Er baute sich eben neben der Verurteilten auf, seine muskulösen Arme auf das Schwert gestützt. Ein Priester kniete neben der Schluchzenden, bedrängte sie murmelnd, vor ihrem Herrn Abbitte zu leisten.
    „Platz da!" herrschte ich die vor uns Stehenden an. „Wir haben eine wichtige Mission zu erfüllen." Wütende Gesichter wandten sich mir zu, verkniffene, ärgerlich verzerrte Lippen spien mir Beschimpfungen entgegen. Ich bahnte mir ungeachtet des Widerstandes meinen Weg mit den Fäusten, Alraune in meinem Schlepptau.
    Der Priester erhob sich, wandte sich von der Verurteilten ab. Der Henker blickte durch die Augenschlitze seiner Kapuze zur Ehrenloge. Der Richter und der Ankläger wechselten einen Blick. Der Burgherr in Schwarz nickte. Der Richter gab dem Henker ein Zeichen.
    Alraune schrie auf, als er das Schwert hob.
    „Halt! Im Namen der Menschlichkeit!" schrie ich so laut ich konnte.
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