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063 - Das Rätsel der Insel

063 - Das Rätsel der Insel

Titel: 063 - Das Rätsel der Insel
Autoren: Michael J. Parrish
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ihnen davon irgendetwas zu sagen. Er hatte weiter so getan, als folgte er seiner Vision, als wüsste er genau, was die Götter vom ihm verlangten, Sein eigener Stolz war es gewesen, der ihn daran gehindert hatte, die Wahrheit zuzugeben - und der die Männer letztlich das Leben gekostet hatte.
    Zuerst waren die Yakks verendet.
    Die Männer hatten sie geschlachtet und ihr Fleisch auf die Schlitten gepackt, die sie von nun an selbst hatten ziehen müssen.
    Dann, als die Kälte immer unbarmherziger geworden und die Vorräte zur Neige gegangen waren, hatten auch die Männer der Erschöpfung und der bohrenden Kälte nicht mehr länger widerstehen können.
    Einer nach dem anderen war erfroren, war im Eis der Weißen Wüste zurück geblieben.
    Erst gestern - oder vorgestern? – hatte Kanghai Khan den letzten von ihnen begraben. Den jungen Nokiro; einer der wenigen, die tatsächlich an Kanghai Khans Vision geglaubt und freiwillig an der Expedition teilgenommen hatten.
    Kanghai Kha n hatte ihn unter dem Schnee verscharrt, damit die Izeekepirs ihn nicht fanden. Dann hatte er ihm die letzte Ehre erwiesen, wie es einem Krieger des Stammes zustand.
    Danach war Kanghai Khan weiter nach Osten gegangen, immer weiter.
    Allein.
    Der letzte Überlebende einer Expedition, die einst vierzig Krieger umfasst hatte.
    Den letzten Schlitten hatte er zurücklassen müssen, hatte den wenigen Proviant getragen, der ihm noch geblieben war. Die ganze Nacht und den darauffolgenden Tag hindurch war er marschiert. Er hatte gewusst, dass er nicht stehen bleiben durfte, weil er sonst verloren war.
    Doch jetzt gehorchten ihm seine Muskeln nicht mehr, versagten ihm den Dienst.
    Bäuchlings lag Kanghai Khan im Schnee, dessen Kälte er nach einer Weile nicht einmal mehr spürte.
    Im Gegenteil breitete sich ein seltsames Gefühl von Wärme in ihm aus, gepaart mit einer Gleichgültigkeit, die ihn hätte erschrecken müssen. Aber sie tat es nicht.
    Er wusste, dass er sterben würde.
    Die Expedition, die Stimmen der Götter, die Männer, die ihm anvertraut worden waren - all das war verloren, ebenso wie er selbst. Verloren in einer endlosen Wüste aus Eis und Schnee und…
    Der Fluss seiner Gedanken, der in stetem zähen Strom durch sein Bewusstsein geflossen war, riss plötzlich ab.
    Kanghai Khan hatte sein Haupt gehoben, um noch einmal hinaus zu blicken in die endlose Weite der eisigen Wüste, ehe er seine Augen für immer schloss.
    Doch inmitten der blendend weißen, von Wind durchtosten Ebene sah er plötzlich etwas, das seine Aufmerksamkeit erregte.
    Etwas, das er eigentlich nicht hätte sehen dürfen.
    Es war ein Baum.
    Schon ein knorriger, abgestorbener Stumpf wäre in diesem unwirtlichen, von Schnee und Eis überzogenen Landstrich ein wahres Wunder gewesen - doch dieser Baum war weder knorrig noch abgestorben, sondern er lebte, stand in wunderbarer, farbenprächtiger Blüte! Und für einen Moment glaubte Kanghai Khan gar, den Duft von Yassoman-Blüten in seiner von Kälte tauben Nase zu haben…
    Ein Trugbild.
    Es konnte nur ein Trugbild sein, mit dem ihn seine sich eintrübenden Sinne narrten.
    Oder…?
    Kanghai Khan verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen.
    Der Baum war näher, als er zuerst geglaubt hatte, schien nur einen Steinwurf entfernt. Vielleicht, wenn er all seine Kräfte zusammen nahm…
    Der mächtige Mogoole versuchte sich auf die Beine zu stemmen, doch so taub und gefühllos, wie sie waren, gehorchten sie ihm nicht. Also blieb ihm nur, sich auf allen Vieren voran zu ziehen, dem Baum entgegen, der auf so wundersame Weise wie aus dem Nichts erschienen war.
    Auf seine mit Fellstreifen umwickelten Hände gestützt, schleppte er sich langsam vorwärts. Bei jeder Bewegung fürchtete er, der Baum könnte wieder verschwinden wie ein Carbukk, an den sich der Jäger anschlich und der plötzlich die Flucht ergriff.
    Doch der Baum blieb, und je weiter sich Kanghai Khan auf ihn zu schleppte, desto kräftiger wurden seine Farben und desto duftender seine Blüten.
    Jetzt sah Kanghai Khan auch, dass sich der Stamm nicht etwa aus Schnee und Eis erhob - die Stelle, wo der Baum stand, war davon befreit. Gras wuchs dort, nicht gelb und fleckig wie das der Tundra, sondern saftig und grün, wie Kanghai Khan es nur aus Träumen kannte und aus den Erzählungen der Alten.
    Der Anblick allein gab ihm Kraft genug, auch den letzten Rest des Weges hinter sich zu bringen. Wie ein Kind, das das Laufen noch nicht gelernt hat, rutschte er auf die grüne Oase zu, die
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