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0624 - Der Schädel des Riesen

0624 - Der Schädel des Riesen

Titel: 0624 - Der Schädel des Riesen
Autoren: Jason Dark
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für Menschenaugen nicht sichtbar verlassen. Ich hatte nicht einmal gefragt, wo er sich befand, weil es mich im Prinzip nicht interessierte.
    Ich erinnerte mich verdammt genau, als Kara und ich in diesem Refugium eintrafen.
    In einen Spiegel zu schauen hatte ich mich nicht getraut, es wäre ein grausamer Schock gewesen. Ich hatte es fühlen wollen, um mich durch sensorhaft reagierende Fingerkuppen zu beruhigen, die wieder über eine normale Haut strichen.
    Sie waren über eine Haut gestrichen, über eine weiche und fühlbar faltige. Über die Haut eines alten Mannes oder eines Greises. Der Kelch des Feuers hatte mich mit seiner Kraft verlassen und den Vorgang nicht rückgängig gemacht.
    Melusine de Lacre hatte ihn beinahe gestohlen. Sie war in den Kelch eingetaucht, einfach so, und es war ihr tatsächlich gelungen, auf die Nebelinsel zu gelangen, wo ich sie wiedertraf.
    Avalon lag hinter mir, ebenso meine Bekanntschaft mit König Artus und dem Zauberer Merlin. Mich trieb nichts mehr dorthin. Ich konnte nur dem Spuk dankbar sein, daß er Kara einen Tropfen Ewigkeit überlassen hatte, um mich von der Insel zu befreien.
    Sollte ich ihm wirklich dankbar sein? Oder wäre es nicht besser gewesen, auf Avalon zu bleiben. Einfach eingebettet zu sein in diese frühlingshafte Landschaft oder zu verschwinden im geheimnisvollen Zauberkessel, wo Tote lebendig gekocht wurden, wie es schon in den alten irischen Sagen hieß.
    Ich wußte darüber Bescheid. Die letzten Ereignisse hatten mir die entsprechenden Geheimnisse enthüllt. Was aber sollte ich damit anfangen?
    Nicht mehr in meiner Lage. Nicht als alter Mensch. Da besaß das Dasein keinen Wert mehr für mich. Ich wußte nicht einmal, wohin ich mich verkriechen sollte. Daß ich es tun würde, stand für mich fest. Es gab einfach keine andere Möglichkeit.
    Als ich Schritte hörte, hob ich kaum den Kopf, denn ich wußte auch so, wer kam. Es war Kara, die Schöne aus dem Totenreich, die neben mir stehenblieb und mir eine Hand auf die Schulter legte.
    »Sag nichts«, flüsterte ich.
    »Ich weiß, John, aber es ist nicht zu ändern.« Sie korrigierte sich schnell. »Vorerst jedenfalls nicht.«
    Ich ließ mir ihre Worte durch den Kopf gehen. »Was hast du damit gemeint?«
    »Wie ich es sagte. Vorerst müssen wir abwarten und gemeinsam versuchen, eine Lösung zu finden.«
    »Dazu müßte man einen Weg kennen, Kara, hast du einen?«
    »Noch nicht.«
    »Wer sollte uns den zeigen? Wieder der Spuk?«
    »An ihn habe ich tatsächlich gedacht.«
    Ich schaute hoch und schnell wieder zu Boden. Obwohl es Unsinn war, aber Kara sollte mich nicht direkt anschauen. »Nein, Kara, der hat uns einmal geholfen, ein zweitesmal wird er sich nicht breitschlagen lassen. Das glaub’ mir.« Ich spürte meine Glieder dreifach so schwer wie sonst. Ich war müde, kaputt und ausgelaugt, denn ich sah nicht nur so aus wie ein alter Mensch, auch innerlich kam ich dem Alter sehr nahe. Mich konnte nichts mehr aus meiner Lethargie hervorreißen. Ich schaute in die Ferne, ohne überhaupt etwas zu sehen. Mein Blick wirkte verloren, leer, ausgebrannt. Am liebsten hätte ich mich in das saftige Gras gelegt und gewartet, bis mein Leben vorbei war.
    Ich spürte den Druck der schmalen, dennoch kräftigen Frauenhand auf meiner Schulter. »Ich weiß, daß ich gut reden habe, John, und nehme dir die Antwort schon vorweg, aber du kannst und darfst dich jetzt nicht hängenlassen. So wie es einen Weg hingegeben hat, wird es auch einen zurückgeben.«
    »Ja, bestimmt. Fragt sich nur, wie viele Jahre ich da noch warten muß.«
    »Nein, so nicht.«
    Ich winkte ab. »Kara, bitte. Es ist lieb gemeint, aber dein Trost kann mir nicht helfen.«
    Ich hörte sie seufzend atmen, bevor sie fragte: »Weißt du denn überhaupt, was du vorhast?«
    »Nichts.«
    »Das ist schlecht, John.«
    Ich hob die Arme und ließ meine Hände klatschend auf die Schenkel fallen. »Natürlich ist das schlecht, aber du hast die Frage nicht an den normalen John Sinclair gestellt, sondern an einen alten Mann. Es ist leider so.« Ich erhob mich mit müden Bewegungen und ging dorthin, wo der klare Bach das Gelände zerschnitt. Am Rand hockte ich mich nieder, weil ich etwas trinken mußte, denn meine Kehle kam mir vor wie mit Wüstensand gefüllt.
    Auf der klaren Oberfläche zeichnete sich mein Gesicht ab. Durch die laufenden Wellen zwar verfremdet, aber dennoch so »gut« zu sehen, daß ich mich erschrak.
    Es kam mir vor wie ein Relief. Gezeichnet von Falten,
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