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0621 - Die Vergessene von Avalon

0621 - Die Vergessene von Avalon

Titel: 0621 - Die Vergessene von Avalon
Autoren: Jason Dark
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verabreichen, die ihn nicht bewußtlos werden ließ, sondern nur groggy machte.
    Schlaff blieb er liegen, und wir bekamen die Gelegenheit, uns um die entsprechenden Versuche zu kümmern.
    Sehr sicher bewegte sich die blinde junge Frau neben mir her. Sie fand sicher den schmalen Weg zwischen den aufgestellten Kerzen und blieb an den Fußenden der beiden Särge stehen, wobei einer von ihnen zerstört worden war.
    Ich erfuhr, daß Fuller ihn zertreten hatte. Er mußte einen Wutanfall bekommen haben.
    Man kann sich an viele Gerüche gewöhnen, nicht aber an den der Verwesung. Ich stand neben den beiden Leichen und beugte mich nach vorn, um sie genauer anschauen zu können.
    Das Kerzenlicht tanzte über das bleiche Gebein, füllte auch die hohlen Schädel.
    Das Mädchen konnte seine Eltern nicht sehen. Es hatte sie sehr geliebt, eigentlich konnte es froh sein, daß ihm dieser Anblick erspart blieb, aber Melu wußte auch so, wie ihre Eltern aussahen, denn sie bückte sich und ließ prüfend ihre Fingerspitzen über Knochen-, Haut- und Kleiderreste gleiten.
    Sie stand auf und nickte in meine Richtung. »Körper können vergehen, John, der Geist nicht.«
    »Dann kannst du dir vorstellen, wie deine Eltern jetzt aussehen.«
    »Sicher.« Sie drehte mir den Kopf zu und wollte wissen, was passierte, wenn ich mein Kreuz einsetzte.
    »Ich weiß es nicht. Ich hoffe nur, daß sich hier eine Aura gebildet hat, die bis dorthin reicht, wo sich auch deine Eltern aufhalten könnten.«
    Sie runzelte die Stirn. »Hinein bis nach Avalon?«
    »Da habe ich keine Ahnung. Ich weiß nichts von Avalon. Ich weiß nicht einmal, ob es die Insel überhaupt gibt. Allerdings kann ich mir vorstellen, daß wir sie in einer anderen Dimension finden können, wo Zeit keine Rolle spielt.«
    Sie strich mir zart über den Arm. »Das hast du gut gesagt, John. Ähnlich denke ich auch.«
    »Schön, dann wollen wir es versuchen.« Ich kniete mich und brachte das Kreuz an den ersten Toten heran. Damit war ich nicht zufrieden, denn ich hielt das Kreuz so, daß es zwischen den beiden halbverwesten Leichen schwebte.
    »Bist du soweit?« fragte Melu.
    »Ja.«
    »Was machst du?«
    »Ich werde die Formel sprechen!«
    »Und dann?«
    »Können wir nur hoffen, Melu, daß du mit deinen Vermutungen recht behältst. Vielleicht kann ich einen Kontakt mit der Insel Avalon herstellen.«
    Sie sagte nichts mehr, stand unter Spannung und lauschte meiner Stimme, die nicht sehr laut klang, als ich die entsprechenden Worte über meine Lippen fließen ließ.
    »Terra pestem teneto – Salus hic maneto!«
    Und es passierte etwas!
    ***
    Licht!
    Hell, grell und wunderbar. Ein phantastisch anmutender Schein, wie ich ihn oft kannte, wenn ich das Kreuz aktivierte, aber kein Schein, der zerstörte, sondern eine Botschaft bringen wollte. Eine Botschaft aus anderen Dimensionen, aus dem Unsichtbaren, aus Welten, in die wir Menschen keinen Einblick besaßen.
    Licht ist etwas Wunderbares. Wie wunderbar es sein konnte, erlebte ich Sekunden später, denn ein freudiger Schrei riß mich aus meinen Betrachtungen.
    Melu hatte gerufen. Sie stand rechts von mir, eingehüllt vom hellen Lichtkranz, die Arme halb erhoben und die gespreizten Hände in ihr dichtes Haar geschoben.
    Nicht mehr als eine Momentaufnahme, die sich jedoch bei mir einprägte und auch für die Zukunft richtungsweisend sein sollte, denn Melusine de Lacre rief aus, was sie sah.
    »Sehen! Gütiger Gott, ich kann sehen! Ich kann wieder sehen. Ich sehe ein Land so wunderschön. Fern und doch nah. Sonne und Nebel bilden ein Gespinst, sie umgarnen das Land und hüllen es ein in einen wundersamen Schleier. Das muß es sein, es gibt keine andere Deutung. Das muß einfach Avalon sein…«
    Mir brannten zahlreiche Fragen auf der Zunge, wobei ich hoffte, daß mein Kreuz die Aura noch für einige Zeit aufrechterhielt. Leider war es mir nicht vergönnt, einen Blick in dieses geheimnisvolle Land zu werfen, deshalb fragte ich Melu, was sie noch an Einzelheiten erkennen könnte.
    »Gesichter… ich sehe Gesichter … Gestalten … geisterhaft – Mutter und Vater. Es hat sich mir geöffnet. Das Land lockt mich, sie winken mir zu, das Totenreich ist wunderschön. Ich muß nach Avalon. Nur dort kann ich weiterleben. Ich werde den Weg finden …« Sie sprach nicht mehr mich an, sondern die Menschen oder Geistgestalten, die allein nur sie zu sehen bekam. »Ich verspreche euch, daß ich Avalon finden werde. Ja, das verspreche ich. Ich habe das Land nie
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