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061 - Im Reich der Tausend

061 - Im Reich der Tausend

Titel: 061 - Im Reich der Tausend
Autoren: Ronald M. Hahn
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hatten seltsam schmale Augen. Obwohl sie gähnten und sehr müde und blass wirkten, waren sie nicht faul: Nachdem sie sich kurz umgeschaut hatten, holten sie allerlei Dinge aus den Fahrzeugen, und einige von ihnen verschwanden damit im Inneren der Ruine.
    Kurz darauf erblickte Nikolaai sie in den untersten Fensterhöhlen. Die einen schwangen durchsichtige Folien, die anderen merkwürdige Instrumente, die pausenlos Tack-tack-tack machten. Es dauerte nur wenige Minuten, dann hatten sie die Fensterhöhlen mit einer transparenten Folie abgedichtet. Zwei Fremdlinge nahmen sich das türlose Portal vor.
    Tack-tack-tack. Sie machten eine künstliche Tür, die man zur Seite schlagen konnte.
    »Bljath!«, sagte Nikolaai, als ihm einfiel, dass es noch immer galt, den Feind zu erkennen. Sein Blick wanderte von einem zum anderen. Es waren Männer und Frauen, aber die Männer waren in der Überzahl. An ihren Gürteln hingen Schusswaffen. Dann bemühte Nikolaai sich, die Fremdlinge zu zählen, aber er musste bald aufgeben, weil sie ständig unterwegs waren. Auf alle Fälle waren es mehr als zehn. Belauschen konnte er die Fremden auch nicht, denn sie unterhielten sich nur gedämpft. Schließlich trugen sie drei kleine Kästen an Handgriffen in die Bibloteek.
    Als alle verschwunden waren, nahm Nikolaai sich ein Herz und pirschte über den Hof zu den beiden Snoo-Mobilen. Als sein Blick auf das Heck des ersten fiel, durchfuhr ihn ein Schreck: Auf das Weiß war ein kleiner bunter Kasten gemalt, mit einem Vogel darin, der seine Schwingen ausbreitete. Nikolaai hatte schon von Vögeln gehört und auch schon einige Bilder gesehen. Sie lebten angeblich im Süden.
    Und von genau diesem Vogel hier hatte Lejtenant Iwaan im Späher-Unterricht gesprochen! Er hatte das Symbol an die Tafel gemalt als Warnung an alle Limonkas, ständig auf der Hut zu sein und nach diesem Vogel Ausschau zu halten. Weil es irgendeinen Zwischenfall gegeben hatte, vor einem Jahr, mit Leuten, die… Es fiel Nikolaai nicht mehr ein.
    Sein Herz hämmerte heftig, als er an dem Snoo-Mobil vorbei zum Portal der Bibloteek pirschte. Das Pfeifen des Windes und die klirrende Kälte waren schrecklich, aber irgendwann war er der künstlichen Tür nahe genug, um die Stimmen der Fremden zu hören.
    Sie sprachen Worte, die ihm völlig unbekannt waren, und zwei davon, die ihm sehr markant erschienen, merkte er sich.
    Redeten sie vielleicht in der Altsprak, in der Verständigungsmethode der Finsteren Epoche? Aber die hatte Viktoor der Ordentliche doch vor Urzeiten abgeschafft, weil sie zu schwierig gewesen war.
    Wenn es Menschen gab, die sich immer noch in dieser alten Sprache unterhielten…
    Nikolaai empfand ein leichtes Schwindelgefühl. Dann stimmten die alten Legenden vielleicht doch! Dann waren die Geschichten aus der Überlieferung vielleicht gar keine Mythen! Existierte tatsächlich irgendwo da draußen in der Ödnis noch immer das schaurige Reich der Demokraten, dessen Bürger dem Zaren nicht Untertan waren?
    Nikolaai schüttelte sich bei dieser Vorstellung. Wie grauenhaft! Er musste Lejtenant Iwaan sofort Meldung erstatten! Was er in der Pöbelschule über die perfiden Demo kraten und ihre schurkigen Methoden gelernt hatte, jagte ihm Angst ein. Als er sich umschaute, fiel sein Blick erneut auf den Vogel, der auch den Bug des Snoo-Mobils zierte, und plötzlich war die Erinnerung an das, was vor einem Jahr geschehen war, wieder da.
    Lejtenant Iwaan war im Auftrag des Zaren mit einer erfahrenen Spähergruppe nach Norden gezogen, um zu beweisen, dass die Vermutung des verdienten Gelehrten Stepaan, dort existiere ein größeres Reich als das ihre, nur Humbug sein konnte. Einen Tagesmarsch vom Stadthaus entfernt war die Mannschaft auf ein Snoo-Mobil mit einem Vogel am Bug gestoßen. Die Besatzung hatte Iwaan und die seinen grundlos beschossen. Es war zu einem Feuergefecht gekommen, bei dem die Fremdlinge allesamt ums Leben gekommen waren.
    Das Fürstentum Yukonia, dachte Nikolaai erbleichend. Es ist also doch keine Legende.
    Sein Herz fing noch heftiger an zu schlagen, denn nun wurde ihm eins klar: Lejtenant Iwaan hatte eine Blutschuld auf sich geladen. Die Bürger des Reiches Yukonia waren gekommen, weil ihre Herzen nach Rache schrien. Wenn sie die Position des Reiches der Tausend entdeckten und von seinen ungeheuren Errungenschaften erfuhren, würden sie es unterwerfen.
    »Der Zar steh mir bei…«, murmelte Nikolaai. Dann zog er sich vorsichtig zurück, um seine Entdeckung zu
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