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0552 - Einer kam wieder

0552 - Einer kam wieder

Titel: 0552 - Einer kam wieder
Autoren: Jason Dark
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Er hing praktisch an einer langen Leine, obwohl die meisten seiner Nachbarn davon nichts ahnten.
    Ivan Siebel wohnte schon seit Jahren in einem schmalbrüstigen Haus, das aussah, als müßte es abgebrochen werden. Wider Erwarten hatte es alle Stürme überstanden, auch wenn im Herbst und im Winter die Kälte durch die undichten Fenster kroch.
    Ivan Siebel gehörte zu den grauen Typen. Er war ein Mensch, den man sah und auch vergaß. Unscheinbar und grau insofern, als daß er graue Kleidung bevorzugte.
    Hosen, Mäntel, Jacken, Hemden, nicht gerade die neueste Mode, aber in der gleichen Farbe.
    Zudem war er keiner, der regelmäßig zur Arbeit ging. In der Nachbarschaft fragte man ihn nicht mehr. Man wußte inzwischen, daß er als Korrektor für einen großen Verlag tätig war und er das Haus von einer kleinen Erbschaft erworben hatte.
    Er fuhr einen uralten Rover, für den sich kein Autoknacker mehr interessierte.
    Wie gesagt, Ivan Siebel war alt geworden, doch sein Gehirn arbeitete nach wir vor. Er gehörte auch zu den Gefühlsmenschen. So wußte er, daß sich etwas anbahnte. Gewisse Anzeichen deuteten darauf hin. Deshalb hatte er auch mit Moskau gesprochen.
    Dort war man kaum beunruhigt gewesen, wenigstens nicht äußerlich. Man hatte Siebel nur geraten, sich keine Sorgen zu machen und alles in Ruhe abzuwarten.
    Genau das war ihm nicht möglich.
    Zu seinem Rheuma kam die Furcht vor der Nacht. Das hatte er ebenfalls früher nicht gekannt, nun aber gefiel ihm die Dunkelheit überhaupt nicht. Wenn es hochkam, schlief er in der Nacht drei Stunden. Den Rest über lag er wach und grübelte.
    Dabei brauchte er sich keine Vorwürfe zu machen. Er hatte gewußt, daß es einmal so kommen würde. Man konnte seinem Schicksal, zu dem durch gewisse Vorgänge die Weichen gestellt waren, nicht entrinnen.
    In der letzten Nacht war es besonders schlimm gewesen. Er war sehr spät zu Bett gegangen und hatte die Flasche mit Wodka neben seine Liege gestellt.
    Weit nach Mitternacht, als die Flasche bereits zur Hälfte geleert war, schlief er ein. Er hatte sich auch nicht umgezogen. In voller Kleidung, graue Hose, grauer Strickjacke und grauem Hemd lag er auf dem Bett. Sein Schnarchen füllte den Raum.
    Der Schlaf ließ ihn die Rheumaschmerzen vergessen, nicht aber die anderen Dinge, die das Unterbewußtsein in ihm hochspülten. Es war die Angst vor dem Unheil.
    Sie drückte ihn, sie stieg hoch, überspülte ihn wie eine Welle und war auch nicht niederzukämpfen.
    Wilde Träume plagten ihn. Er sah sich von unheimlichen Gestalten umringt, die allesamt ihm nur ein Wort entgegenzischten.
    RACHE!
    Immer wieder das eine Wort, das wie die Schneide eines Messers in seine Seele drang.
    Schließlich wachte er auf. Dabei drang ein Schrei über seine Lippen. Er fuhr hoch, blieb sitzen und atmete heftig.
    Im Zimmer war es dunkel. Vor ihm zeichnete sich schmal und rechteckig der Ausschnitt des Fensters ab. Ein ebenfalls graues Gebilde, über das an keiner Stelle der Lichtschein einer Leuchtreklame huschte. Die gab es in dieser alten Londoner Wohngegend nicht.
    Kaum war er wach, spürte er wieder seinen Rücken. Diese verfluchten Schmerzen, die ihn malträtierten und die immer besonders schlimm waren, wenn er lange gelegen hatte. Wenn er aufstand, dauerte es immer eine Weile, bis sie nachließen und er sich einigermaßen bewegen konnte.
    Sein Hals saß zu!
    Irgendwie hatte er das Gefühl, überhaupt nicht mehr atmen zu können. Selbst das Freihusten jagte Stiche durch seinen Rücken.
    Schweiß trat auf sein Gesicht. Salzig spürte er ihn auf der Oberlippe.
    Hin und wieder glaubte er sogar, ersticken zu müssen.
    Ivan Siebel gehörte zu den abergläubischen Menschen. Erst am gestrigen Tag hätte er fast eine schwarze Katze überfahren, die von links nach rechts seinen Weg gekreuzt hatte. Ein sehr ungünstiges Omen für den anbrechenden Tag. Außerdem waren seine Schmerzen noch nie so stark gewesen wie an diesem Morgen.
    Aufstehen, dachte er. Du mußt aufstehen! Du mußt dich überwinden, sonst kommst du nie mehr hoch.
    Er schaffte es, sich aus dem Bett zu rollen. Fast wäre er noch gefallen. Im letzten Augenblick fing er sich ab.
    Sehr langsam und unter den Schmerzen stöhnend setzte er sich hin. Auf der Bettkante blieb er hocken. Das Zittern überkam ihn urplötzlich. Es war wie ein gewaltiger Schüttelfrost, der einfach nicht aufzuhalten war. Heiße und kalte Wellen überkamen ihn, verbunden mit Schauer. Wie ein Häufchen Elend hockte er auf der
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