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0516 - Im Netz der Mörderspinne

0516 - Im Netz der Mörderspinne

Titel: 0516 - Im Netz der Mörderspinne
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Verbindung und drehte wieder an der Kurbel. »Vermittlung? Ja… ich muß sofort mit dem Kommandeur sprechen…«
    Derweil wälzte Anette d’Arcois andere Gedanken. Sie befand sich im oberen Stockwerk der Villa und war auf den Balkon ihres Zimmers hinausgetreten -ein Zimmer, in dem in Paris eine Familie mit Großeltern und zwölf Kindern bequem Raum gefunden hätte.
    Unten hörte sie ihren Vater am Telefon. Wen mochte er um diese späte Stunde noch belästigen? Er war ein Ewiggestriger, arrogant von den Zehen- bis zu den Haarspitzen. Vermutlich lebte er im falschen Jahrhundert. Er hätte ins späte Mittelalter gepaßt. Leute wie er waren es gewesen, die das Volk zur Revolution getrieben hatten. Er wäre vermutlich einer der ersten gewesen, dessen Kopf unter der Guillotine gefallen wäre.
    Nicht, daß sie es ihm gegönnt hätte. Sie liebte ihren Vater. Aber sie verstand ihn nicht. In vielen Dingen war er genauso dümmlich wie die jungen Männer, die er ihr immer wieder als Ehegatten schmackhaft zu machen versuchte. Sie hatte Mühe, diese adligen Dummköpfe zu vergraulen. Für die war eine Frau doch nur Köchin, Hure, Kindermutter und Schmuckstück - je nachdem, was gerade gebraucht wurde. Dafür aber war sich Anette zu schade. Sie wollte als das anerkannt sein, was sie war: als Mensch.
    Sie sah in die Nacht hinaus und dachte an die Spinne. Sie wußte, daß sie sie gesehen hatte. Eine unheimliche große Spinne, unmöglich groß. Aber sie war da gewesen! Anette irrte sich nicht. Sie hatte die Spinne nur für einen winzigen Augenblick gesehen, als in der Kurve der Scheinwerferstrahl darüber hinweggehuscht war.
    Aber sie hatte sie gesehen. Auch wenn ihr Vater ihr etwas anderes einreden wollte und Jacques vermutlich eher auf den Straßenverlauf geachtet hatte als auf den Straßenrand.
    Anette wartete förmlich darauf, daß die Spinne sich wieder zeigte, daß sie über den Zufahrtsweg von der Straße her gekrabbelt kam.
    Aber sie kam nicht.
    Schließlich gab Anette auf. Sie verzichtete darauf, nach der Zofe zu klingeln. Vermutlich würde ihr Vater deshalb morgen wieder die Stirn runzeln, schließlich konnte seiner Ansicht nach das Personal auch etwas für das Geld tun, das es bekam. Anette hingegen war der Ansicht, daß sie sich mit ihren 20 Jahren durchaus allein aus-und ankleiden konnte. Sie tat es, schlüpfte in ihr Nachthemd und begab sich zu Bett. Aber sie konnte nicht einschlafen.
    ***
    Nicole griff nach ihrem Hals. Aber der Tentakel, der da wie eine Galgenschlinge gesessen hatte, war fort. Ganz, ganz vorsichtig und herzklopfend bewegte sie ihren Kopf. Aber es war kejn Nackenwirbel gebrochen.
    Sie hatte sich bei dem Sturz aus drei Metern Höhe nicht einmal einen Knöchel verstaucht.
    Ungläubig sah sie nach oben. Die Tentakel hatten sich zurückgezogen. Nicole tastete ihr ziemlich zerfetztes Kleid ab, fand die Stellen, an denen die Tentakelspitzen sie verletzt hatten. Nichts tat weh; die Wunden schlossen sich mit unglaublicher Geschwindigkeit.
    Nicole war nicht sicher, ob das auf den Trank der Quelle des Lebens zurückzuführen war, der in ihrem Blut zirkulierte und auch Krankheiten àbwehrte - vielleicht mit Ausnahme einer leichten Erkältung hin und wieder. Möglicherweise sonderten die Tentakel nicht nur ihre schmerzstillende Substanz ab, sondern auch…
    »Nein«, sagte Nicole. »Das glaube ich nicht. Esus ist ein Mörder«.
    »Nein, Mademoiselle.«
    Sie fuhr herum und sah den Gnom.
    Er war ebenfalls freigelassen worden. Seine Hände betasteten die mangelhaft verbundene Hüfte. »Nein, kein Mörder. Esus ist der Waldgott, Mademoiselle. Er hat mir geholfen.«
    »Hä?« machte Nicole verblüfft. »Was?«
    Der verwachsene Zauberer, zu seiner Zeit von den lieben Mitmenschen als »Krüppel« beschimpft und mit Steinen beworfen, weil er nicht so aussah wie sie, lächelte. In diesem Moment fehlten seinem Gesichtsausdruck alle erworbenen Minderwertigkeitskomplexe, und Nicole sah, daß dieser kleine Mensch trotz seiner körperlichen Verunstaltung schön war. Man mußte diese Schönheit nur richtig sehen.
    »Er hat mir geholfen«, sagte der Kleine. »Er hat mir etwas gegeben, was er selbst nicht brauchte.«
    »Und was, bitte?« fragte Nicole mißtrauisch. Angesichts der Tatsache, daß sie beide nicht mehr von den Saugtentakeln bedroht wurden, kauerte sie sich neben den Gnom. Sie gab einem Impuls nach und strich mit der Hand durch sein kurzes, glattes Haar, das so tiefschwarz war wie seine Haut.
    Der Gnom schluckte. Er war
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