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0455 - Der Zeit-Zauberer

0455 - Der Zeit-Zauberer

Titel: 0455 - Der Zeit-Zauberer
Autoren: Werner Kurt Giesa
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aber ab, mein Lieber«, stellte sie klar. »Ich habe nämlich nicht die geringste Lust, mich in auch nur den winzigsten Fetzen Kleidung zu zwängen. Nicht nach dieser Nacht und diesem Morgen, und nicht bei diesem Wetter, in dem man's selbst in der knappsten Badekleidung nicht aushält…«
    Zamorra seufzte. »Nun ja, im Evaskostüm gefällst du mir auch viel besser«, gestand er. Er suchte nach seinen Shorts und stieg hinein. Nicole raffte die anderen Sachen zusammen, warf sie lässig in den Kofferraum ihres weißen BMW 635 CSi und ließ sich dann, nackt wie sie war, hinter dem Lenkrad nieder. »Ich bleibe im Wagen«, kündigte sie an. »Und du solltest dich gleich beeilen, ehe die Dorfjugend sich die Nase an den Scheiben plattdrückt.«
    »Bestie«, murmelte Zamorra und nahm neben ihr Platz.
    Nicole jagte das schnelle Coupé zur Straße hinauf und dann ins Dorf, wo sie vor Lafittes Haus stoppte. Zamorra stürmte nach draußen. Nicole sah ihm lächelnd nach. Sie fühlte sich wohl. Ein Blick zwischen ein paar Häusern hindurch den Berghang hinauf zeigte ihr das Château, diese architektonisch genial gelungene Mischung aus Renaissance-Schloß und mittelalterlicher Burg. Leonardo deMontagne sollte damals, kurz vor dem Beginn des ersten Kreuzzuges, diese Festung haben erbauen lassen - so unmenschlich er in seinen beiden Leben auch gewesen war, wenn er selbst für die Architektur verantwortlich zeichnete, mußte er damals schon seiner Zeit um Jahrhunderte voraus gewesen sein.
    Nicole stutzte. Da flog doch etwas über dem Château. Zog Kreise. Schwarz und groß und…
    ... und war verschwunden.
    Sie zwinkerte, beugte sich vor, konnte aber durch die getönten Scheiben nichts erkennen. Gerade wollte sie aussteigen, um bessere Sicht zu haben, als ihr einfiel, daß sie keinen Faden am Leib trug, und auch wenn die Leute im Dorf von den Bewohnern des Château in Sachen Freizügigkeit einiges gewohnt waren und es auch in gewissem Maße tolerierten, ging das hier doch etwas zu weit.
    Zamorra kam zurück. Verblüffenderweise waren seine Hände so leer wie zuvor. »Nichts«, sagte er, als er sich wieder auf den Beifahrersitz sinken ließ. »Gefällt dir das?«
    »Sicher«, sagte Nicole. »Kannst du mal schauen, ob über dem Château was fliegt?«
    »Fliegt?« echote er verwundert, tat ihr aber den Gefallen. Er reckte sich sogar noch etwas höher, konnte aber nichts erkennen. »Was soll denn da fliegen? Ist ein neuer Raubvogel aufgetaucht?«
    »Raubvogel, hm«, machte Nicole. »Sah eher wie ein Drache aus. So ein Urzeit-Viech wie aus dem Museum.«
    »Pterodingsbums?«
    »Pterdodaktylus, richtig. So sah's fast aus. Kann aber auch eine Fledermaus im King-size-Format gewesen sein. Aber schlußendlich wird es wohl eine optische Täuschung sein, wenn du nichts siehst. Bei dieser Hitze ist alles möglich. Auch eine Luftspiegelung.«
    Zamorra nickte.
    »Bei der Post brauchen wir nicht zu stoppen. Pascal war schon da, weil er unser Lagerfeuer heute nacht gesehen hat und damit rechnete, daß wir zuerst bei ihm vorbeischauen würden. Du kannst direkt zum Château durchfahren.«
    Nicole tippte mit dem kleinen Finger auf den Hörer des Funktelefons. »Wir können immer noch wieder zurück und…«
    »Wir können später immer noch wieder zurück«, sagte er. »Und dann vielleicht auch die Zwillinge mitnehmen. Könnte lustig werden. Aber jetzt will ich erst einmal ein kerniges Frühstück an einem sauber gedeckten, stabilen Tisch aus massivem Holz mit einer halbwegs weißen Decke darauf.«
    »Na gut. Des Menschen Wille ist seine Hölle.« Nicole startete das Coupé wieder und jagte es die Serpentinenstraße hinauf. Sie fuhr schnell, aber sicher - wie immer. Die Idee, die Peters-Zwillinge mit hinunterzunehmen, gefiel ihr momentan nicht so besonders. Monica und Uschi Peters, die blonden eineiigen Zwillinge mit der Gabe der Telepathie, wohnten vorübergehend im Château. Sie warteten darauf, daß Robert Tendyke in seinem Haus in Florida endlich klar Schiff machte und sie herüberholte. Und sie warteten auf eine Nachricht von Uschis Sohn Julian Peters.
    Bisher hatten Zamorra und Nicole darauf verzichtet, ihnen begreiflich zu machen, daß er nicht nur einfach davongelaufen war wie viele andere Jungen in seinem Alter, sondern daß er mittlerweile der Fürst der Finsternis geworden war. Zamorra nahm an, daß auch Robert Tendyke, Julians Vater, davon noch nichts wußte - er konnte ja nicht ahnen, was inzwischen alles jenseits des Atlantik geschehen war.
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