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0436 - Im Reich der Kraken-Schlange

0436 - Im Reich der Kraken-Schlange

Titel: 0436 - Im Reich der Kraken-Schlange
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Zuweilen gesellte Julio sich zu ihnen, brachte eine Flasche Tequila mit und Salz. Manchmal aber blieb er in der Ferne und beobachtete das muntere Treiben nur, ohne sich dabei als Voyeur zu fühlen.
    Diesmal war er recht früh gekommen. Da es mitten in der Woche war, war er überrascht, um diese Zeit schon Menschen vorzufinden. Zwei Mädchen waren es, die unter dem Wasserfall badeten und spielten. Er kannte sie -Carmencita und Paola. Normalerweise kamen sie viel später, und dann auch in Begleitung ihrer Freunde und Freundinnen. Julio hob verwundert die Brauen. War heute ein Feiertag, den er übersehen hatte?
    Er schob den Sambrero etwas zurück und wischte sich über die Stirn. Dann entschloß er sich, einfach zu ihnen zu gehen und sie zu fragen. Er glaubte nicht, daß sie ihn als Störenfried empfinden würden.
    Er machte gerade die ersten Schritte, als etwas geschah, das er nicht erwartete. Aus der Seemitte erhob sich etwas, das er nicht einordnen konnte. Ein Tier? Aber eines, das er nie zuvor gesehen hatte. Es schien ein Krake zu sein und war doch keiner. Die langen Tentakelarme mit den Saugnäpfen pendelten durch die Luft. Blitzschnell schoß das Ungeheuer auf den Wasserfall zu, zu den Mädchen.
    Julio Zantos wollte schreien, wollte sie warnen. Aber er brachte keinen Ton hervor. Er glaubte, sich in einem furchtbaren Alptraum zu befinden, in einem seiner Abenteuer, die er nur in der Fantasie erlebte.
    Das Kraken-Ungeheuer hatte die Mädchen erreicht und schlang blitzschnell seine Tentakel um sie. Julio hörte Carmencita grell aufschreien, und dann verschwand das Ungeheuer mit seinen Opfern unter Wasser.
    Die Seeoberfläche kochte und brodelte. Aber weder die Mädchen noch das Monster tauchten wieder auf. Langsam beruhigte der See sich wieder.
    Es war die Ruhe des Todes.
    ***
    Es dauerte eine Weile, bis Julio sich wieder rühren konnte. Er überwand seine Starre und näherte sich dem Wasserfall, ließ die Seeoberfläche dabei kaum aus den Augen. Aber dort passierte nichts mehr.
    Er hoffte immer noch, nur einer Halluzination zum Opfer gefallen zu sein. Es war heiß, und vielleicht hatte ihm die Hitze und seine lebhafte Fantasie das Geschehen nur vorgegaukelt…
    Aber dann fand er die Kleider der beiden Mädchen.
    Und dann sah er nicht weit von der Stelle, an der sie im Griff des Ungeheuers verschwunden waren, einen dunkelroten, großen Fleck auf dem Wasser, der sich allmählich mit der Strömung verteilte und davontrieb…
    ***
    »Du hast einen Vogel, Julio, aber der ist schon so groß wie ein Albatros!« versicherte Hernando Blasquet, der Wirt in Julios Stamm-Bodega. »So’n Ungeheuer gibt es gar nicht. Und wenn es das gäbe, dann bestimmt nicht hier. Wie soll es denn in den See hinein gekommen sein? Komm, Julio, du hast nur geträumt. Trink einen Tequila oder ein Glas Wein oder auch zwei… und dann sieht die Welt wieder ganz anders aus.«
    »Aber ich habe es gesehen«, beharrte Julio, »und ich habe die Kleider der beiden Mädchen gefunden und in den Händen gehabt, die das Biest unter Wasser gezogen und aufgefressen hat! Und dann war Blut auf dem Wasser, unheimlich viel Blut…«
    Hernando seufzte. »Du hattest schon immer eine blühende Fantasie, Julio, aber das hier wird nun doch etwas zu geschmacklos, oder?«
    Die Tür der Bodega wurde aufgeschoben. Julio wandte sich um und sah zu seiner Erleichterung Teniente Mejia eintreten. Der war Polizist, kam aus Hildago del Parral und war auch für La Boquilla und die Umgebung zuständig. In Camargo gab es zwar so etwas wie einen Polizeiposten, aber wenn Franco Mejia nicht immer wieder nach dem Rechten sah, geruhte man dort in den Beamtenschlaf zu verfallen.
    »Gut, daß du kommst, Franco«, stieß Julio hervor. Er duzte grundsätzlich jeden, das gehörte zu seiner Lebensphilosophie. Mejia wußte inzwischen, daß es keine Respektlosigkeit war, und ließ den Sonderling gewähren. In den ersten Monaten hatte er versucht, Zantos klar zu machen, daß sie sich doch zu wenig kannten, um gleich Freunde und per du zu sein, aber alle Belehrungen waren an Zantos abgeprallt. Er duzte den Teniente auch weiterhin.
    Und der hatte sich inzwischen daran gewöhnt und wußte, daß der komische Kauz wahrscheinlich krank war, wenn er von dieser Gewohnheit abging.
    »Trink einen Tequila mit mir und hör dir an, was ich dir zu sagen habe, Franco«, sagte Julio Zantos.
    Mejia lächelte. »Lieber nicht - wenn ich überall einen Tequila trinke, bin ich nach zwei Stunden fix und fertig, und
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