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0427 - Zurück aus dem Grab

0427 - Zurück aus dem Grab

Titel: 0427 - Zurück aus dem Grab
Autoren: Werner Kurt Giesa
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per Anhalter durch die Galaxis. Also nichts für mich«, sagte sie energisch. »Außerdem kann ich mir im Mietwagen meinen Mitfahrer selbst aussuchen. Als Anhalter nicht.«
    »Mitfahrer ist gut«, brummte Zamorra. »Komm, wir machen einen Hafenspaziergang. Vielleicht schaffen wir es endlich mal, eine Raddampfertour mitzumachen. Hier ist nämlich keiner zu Hause. Maurice wird irgend eine Vorlesung besuchen, Angelique kauft ein, und Yves macht irgend welche Dummheiten. Auf dem Raddampfer könnten wir aber eine nostalgische Poker-Partie mitmachen, eimerweise Whiskey saufen und uns wie richtige Touristen aufführen…«
    Nicole trat ihm gegen das Schienbein. »Poker? Du denkst doch höchstens an Strip-Poker. Ah…«
    Hinter der Haustür wurde es geräuschvoll. Jemand kam die Treppe herauf. Augenblicke später wurde die Tür aufgerissen. Eine bildhübsche, etwa 16jährige Kreolin in ausgewaschenen Jeans und kariertem Baumwollhemd starrte die beiden Besucher an.
    »Ach, die Kapitalisten schon wieder«, fauchte Angelique Cascal. »Hoffentlich habt ihr euren Mercedes diesmal so geparkt, daß man euch die Radkappen klaut und den Stern abknickt.«
    Zamorra grinste. »Hi, Angelique«, sagte er. »Der Mercedes ist out. Kapitalisten fahren neuerdings Geländewagen.« Er deutete auf das bunte, hochrädrige Monstrum, das nur ein paar Meter entfernt stand.
    Angelique schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Spinner«, sagte sie überzeugt. »Wenn ich jemals so viel Geld hätte, würde ich es bestimmt vernünftiger anlegen.«
    »Ist Yves da?« erkundigte Nicole sich.
    »Schläft. Was wollen Sie von ihm? Er sagte, die Sache wäre vorbei.«
    »Ist sie. Aber der Abschied war ein wenig zu kurz. Wir möchten uns noch ein wenig mit ihm unterhalten. Keine Sorge, wie jagen ihn nicht mehr als vermutlichen Mörder. Wir wissen jetzt, daß er unschuldig ist.«
    »Das habe ich Ihnen doch sofort gesagt«, sagte Angelique. »Aber mir glaubt ja keiner. Ich bin ja nur eine kleine dumme Halb-Niggerin. Noch dazu fast ein Kind. Mich braucht ja keiner ernst zu nehmen. Yves mag hin und wieder mal Sachen machen, die nicht ganz hasenrein sind. Aber er ist kein Mörder. Er kann keiner Fliege ein Haar krümmen.«
    »Können wir mit ihm reden? Oder können wir wiederkommen, wenn er wach ist? Wann ist das der Fall?« bohrte Zamorra nach.
    »Er ist wach«, kam aus dem Keller eine verärgerte Stimme. »Verdammt noch mal, habe ich denn nie mehr Ruhe? Was wollen Sie noch? Ich habe Ihnen draußen am Bayou gesagt, daß ich Sie nicht mehr sehen will, und jetzt sind Sie schon wieder hier.«
    »Es geht um Ihr Amulett, Ombre«, sagte Zamorra.
    Angelique wandte sich um und schritt die Treppe hinab. »Ich sagte dir ja, Yves - das sind Leute, die wirfst du zur Haustür ’raus, und wenn du dich umdrehst, sind sie bei der Hintertür schon wieder hereingekommen.«
    »Kommen Sie«, sagte Cascal. »Wir brauchen nicht alles zwischen Tür und Angel zu erledigen.«
    Zamorra und Nicole folgten ihnen in die kleine Wohnung. Yves Cascal bat die Besucher in sein Zimmer. Angelique gesellte sich einfach dazu.
    »Angeboten wird nichts«, stellte Yves Cascal klar. »Erstens bin ich nicht gastfreundlich, und zweitens sind wir finanziell nicht so gut bestellt, daß wir höchst ungebetene Besucher verwöhnen können.«
    »Und drittens wollen wir beleidigend wirken«, ergänzte Angelique.
    Zamorra seufzte. Er lehnte sich an ein schmales Bücherregal, in dem immerhin bemerkenswerte Werke der Weltliteratur untergebracht waren, die auch nicht so aussahen, als ständen sie nur da, um Besucher zu beeindrucken; sie waren recht zerlesen. Nicole hockte sich rittlings auf einen Stuhl und verschränkte die Arme über der Lehne, während Yves Cascal sich auf sein Bett warf, das entgegen Angeliques Schutzbehauptung noch nicht benutzt aussah. Die Kreolin blieb an den Türrahmen gelehnt stehen.
    »Okay«, sagte der Neger. »Raus mit der Sprache. Um so eher bin ich Sie wieder los.«
    Zamorra schürzte die Lippen. Er dachte an das, was geschehen war, und versuchte Yves Cascal zu verstehen, den Mann, den man l’ombre nannte — den ›Schatten‹. Einen Mann, dessen Eltern früh gestorben waren und der sich seitdem verantwortlich fühlte für seinen contergangeschädigten Bruder, der an den Rollstuhl gefesselt war, und für seine Schwester aus der zweiten Ehe seines Vaters. Einen Mann, der sich damit abgefunden hatte, daß er wahrscheinlich immer zur unterprivilegierten Schicht gehören würde, ohne
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