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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV
Autoren: Karl May
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erfüllten sich. Sie gingen später auf einige Jahre nach Paris, um dort die berühmtesten Ateliers zu studieren, dann nach Italien und endlich gar nach Ägypten, wo sie sich die Aufgabe stellten, sich dort mit den Gesetzen der einstigen Gigantenkunst vertraut zu machen. Auf dem Rückweg kamen sie über Deutschland, um mich aufzusuchen. Sie waren mir sehr sympathisch. Ich hatte meine Freude an ihnen, und zwar nicht allein deshalb, weil sie meinen unvergleichlichen Winnetou fast als einen Halbgott verehrten. Auch ihr künstlerisches Wollen und Können war hervorragend und schien noch wachsen zu können. Leider aber war es in echt amerikanischer Weise auf den Abweg des Business hinübergeleitet worden, und so geschah es, daß sie von mir anstatt eines Lobes eine sehr ernste Warnung zu hören bekamen, die sie mir, wie ich aus ihrem Brief ersah, bis heute noch nicht vergessen und vergeben hatten. Dies war wohl auch der Grund, daß ich weder von ihren Vätern, noch von ihnen selbst über ihre Zukunftspläne und ihr jetziges künstlerisches Schaffen unterrichtet worden war. Ganz besonders schweigsam gegen mich aber verhielt man sich über die Gründe, welche die beiden jungen Leute veranlaßt hatten, grad die Kolossaldarstellungen der alten Ägypter zu studieren. Das hatte Geheimnis bleiben sollen. Jetzt aber begann ich zu ahnen, daß die ‚Meisterwerke‘, zu deren Begutachtung ich eingeladen war, hierzu in Beziehung standen.
    Ich kann ganz und gar nicht behaupten, daß die Briefe, welche in so schneller Folge bei mir anlangten, mir Freude bereiteten. Warum sagte man mir nicht gleich offen und ehrlich, um was es sich eigentlich handelte? Wozu diese heimliche Campmeetingspielerei? Große und fruchtbare Gedanken werden in heiliger, unberührter Einsamkeit geboren, nicht aber in langen Reden, die doch nur auf kurze Erfolge berechnet sein können! Warum diese Trennung der alten Häuptlinge von den jungen? Wozu noch extra die roten Frauen? Wer waren die ‚außerdem berühmten roten Männer und Frauen‘? Etwa die Herren dieses mir so sonderbar, ja sogar verdächtig vorkommenden Komitees? Sie wollten das Schlußmeeting leiten, also die Beschlüsse sämtlicher Versammlungen beeinflussen und korrigieren! Die Namen der beiden Professoren, geborene Indianer, kannte ich. Sie hatten einen guten Klang. Aber den Ton, in dem sie an mich schrieben, hätte sich kein Sam Hawkens, kein Dick Hammerdull und kein Pitt Holbers gefallen lassen. Der Schriftführer und der Kassierer waren mir vollständig fremd. Und Old Surehand als Direktor? Was sollte das heißen? Wozu hier einen besonderen ‚Direktor‘? Etwa um die moralische Verantwortung oder gar die pekuniäre Garantie auf ihn zu werfen? Old Surehand war ein Westmann allerersten Ranges gewesen; aber ob er auch imstande war, es mit der geschäftlichen Smartneß eines geriebenen, amerikanischen Pfiffikus aufzunehmen, das wußte ich leider nicht. Die Sache kam mir um so bedenklicher vor, je länger und intensiver sie mich beschäftigte. Auch meiner Frau gefiel sie nicht. Und weil ich sie hierbei mit erwähne, so sei zugleich gesagt, daß auch sie ein Schreiben bekam, nämlich folgendes:
    „Meine liebe, weiße Schwester!
    Nun werden meine Augen Dich endlich, endlich sehen; meine Seele sah Dich schon längst. Der Gebieter Deines Hauses und Deiner Gedanken wird nach dem Mount Winnetou kommen, um mit uns über Großes und Schönes zu beraten. Ich weiß, er wird diese Reise nicht tun, ohne daß Du ihn begleitest. Ich bitte Dich, ihm zu sagen, daß ich das beste unserer Zelte für Dich und ihn bereithalten werde und daß ich Dein Kommen vorempfinde als einen lieben, warmen Strahl der Sonne, die meinem Leben unbekannt gewesen ist bis nun, da es zum Scheiden gehen will. So komm also, und bring mir Deine Menschenliebe, Deine Herzensgüte und – – – Deinen Glauben an den großen, gerechten Manitou, den ich gern ebenso deutlich fühlen möchte, wie Du, meine Schwester, ihn fühlst.
    Kolma Putschi.“
    Ich muß erwähnen, daß das Herzle mit Kolma Putschi in Briefwechsel stand und heut noch steht, und daß diese Zuschrift nicht ohne Einfluß auf unsere Entschließungen war. Wenn ich wirklich ging, so verstand es sich nun ganz von selbst, daß ich diese Reise nicht allein unternahm. Es liefen noch mehrere Briefe ein. Ich wähle unter ihnen nur noch einen aus, weil er mir als der wichtigste von allen erscheint, die ich über diesen Gegenstand bekam. Er war von einer geradezu kalligraphisch
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