Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0374 - Der Vogeldämon

0374 - Der Vogeldämon

Titel: 0374 - Der Vogeldämon
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
sah Vivy Ruyters fragend an. »Hast du einen großen Vogel gesehen?«
    Vivy schüttelte den Kopf. »Wenn wir mal davon absehen, daß Linda versuchte, Vogel zu spielen — nein.«
    Pascal nagte an der Unterlippe. Vögel gab es ein paar hunderttausend in Musoma und Umgebung. Aber keine, die nachts flogen und dabei so groß waren, daß sie jemandem auffallen konnten, der eigentlich auf Dinge zu ebener Erde konzentriert war.
    »Was war das für ein Vogel, Nadine? Wo hast du ihn gesehen?« fragte er.
    Sie sah ihn aus großen Augen an. »Ich?«
    »Wer sonst? Du fragtest doch, ob wir ihn auch gesehen hätten.«
    Nadine sah ihn an wie das alte Weltwunder. »Wovon sprichst du, Pascal?«
    Jetzt war es an ihm, Verblüffung zu zeigen. »Aber du hast doch gerade gefragt, ob wir den großen Vogel gesehen hätten.«
    »Was für einen Vogel?«
    Sie wußte von nichts!
    Das gibt’s doch nicht, dachte Pascal. Erst fällt Linda Gray aus dem Fenster und kann sich an nichts erinnern, dann derselbe Gedächtnisschwund bei Nadine… hier ist etwas faul!
    »Vielleicht ist es besser, wenn wir uns ins Zimmer zurückziehen«, sagte er. »Wir scheinen alle ein wenig übermüdet zu sein. Na, wir können ja ausschlafen… die Getränke bitte auf die Zimmerrechnung, Sammy.«
    Der Keeper nickte. »Dann kann ich jetzt Feierabend machen?«
    »Wenn die anderen nicht noch weiter aktiv bleiben wollen…«
    »Ich wette, Cal und Sandy kommen nicht wieder nach draußen«, schmunzelte Vivy. »Sandy hat ihn jetzt endlich herumgekriegt. Die beiden haben jetzt anderes zu tun. Gute Nacht allerseits.«
    »Was machst du noch?« fragte Pascal.
    »Ich denke, ich werde mir etwas Wärmeres anziehen und noch einen Nachtspaziergang machen«, sage sie. »Vielleicht gehe ich zum Hafen hinüber, vielleicht mache ich nur einen Rundgang durchs Gelände. Aber bei diesem Wetter kann ich noch nicht schlafen…«
    Die schwarze Wolkenfront war näher gekommen.
    »Na dann… viel Spaß«, wünschte Nadine.
    Nachdenklich suchten sie ihr Zimmer auf. Pascal verriegelte Fenster und Tür sorgfältig. »Damit nicht jemand von uns ebenfalls glaubt, er wäre ein Vogel und müßte hinausfliegen«, sagte er scherzhaft. Dabei war ihm gar nicht zum Scherzen zumute, und Nadine merkte es. »Habe ich wirklich von einem Vogel gesprochen?«
    Pascal nickte. Er zog Nadine an sich. »Laß uns jetzt an etwas anderes denken, ja?« bat er und küßte sie. »Die Nacht ist noch lang…«
    ***
    Vivy Ruyters schlüpfte in Jeans und Pullover und verließ das »Royal Palace« wieder. Allmählich drang die Nachtkühle durch, und der Wind frischte auf. Vivy genoß es. Sie schritt in die Dunkelheit hinaus. Sie kannte die Wege. Sie war am späten Nachmittag schon einmal hier entlang gegangen, kurz nach der Rückkehr von der Fotosafari.
    Die schwarzen Wolken näherten sich, überzogen den Himmel und verdeckten die Sterne. Trotzdem sah Vivy plötzlich den riesigen schwarzen Vogel, der über ihr dahinzog. Er kreiste und ging tiefer. Vivy erinnerte sich an Nadines Worte von dem großen Vogel. Das hier- mußte es sein. Nadine hatte also keine Halluzinationen gehabt.
    Aber warum konnte sie sich nur wenige Augenblicke später schon nicht mehr daran erinnern?
    Es war die letzte Frage, die Vivy Ruyters sich stellte. Plötzlich hatte sie das dringende Bedürfnis, ihre Schwingen auszubreiten und sich in die Lüfte zu erheben, aber noch dringender wurde ihr Wunsch, eins mit dem anderen großen Vogel zu werden, geistig mit ihm zu verschmelzen.
    Und sie gab ihrem Wunsch nach. Sie wurde eins mit ihm und flog nach Südosten davon, dorthin, von wo er gekommen war. Der Vogelmensch war zufrieden. Er hatte doch noch Erfolg gehabt, wenn auch das eigentlich angepeilte Opfer nicht erbracht worden war. Aber im dritten Anlauf hatte er es geschafft.
    Der erste Teil der Jagd war erfolgreich verlaufen. Er konnte die folgenden Nächte schon etwas ruhiger angehen lassen.
    Er kehrte heim und verwandelte sich zurück. Er wurde wieder Mensch. Und im gleichen Maße, wie er sich zurückverwandelte, kehrte das Leben in die Tänzer zurück, die sich wieder bewegten und deren Augen den alten Glanz zurückerhielten.
    Der Zauberer trat vor die geschnitzte große Vogelskulptur. Er berührte ihren Kopf mit beiden Händen.
    Etwas floß aus ihnen heraus und ging auf die Figur über, deren diamantene Augen zu funkeln begannen. Und etwas anderes kam aus der Figur zu dem Zauberer.
    Von Vivy Ruyters gab es in ihm nicht einmal mehr einen Hauch.
    ***
    Am frühen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher