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0353 - Die Vampirkutsche

0353 - Die Vampirkutsche

Titel: 0353 - Die Vampirkutsche
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Nachts fahren keine Kutschen, das solltest du endlich begreifen. Vielleicht drüben in Mühlbach oder Hermannstadt. Das sind große Städte, da gibt es vernünftige Straßen. Aber keine Kutschen mehr. Da fahren Benzinkutschen. Gut, daß wir die hier nicht haben. Hier ist die Welt noch in Ordnung.«
    Gryf grinste still vor sich hin. Tesciu nannte sich das Dorf, das aus einer holperigen, nahezu unbefestigten Straße bestand, die bei Trockenheit staubte und bei Regenwetter zur Schlammbahn wurde, aus einer Kirche, einer Schänke und einem guten Dutzend Häuser. Hangabwärts waren ein paar Felder, und alles andere waren Wälder und Berge. Alles hier war so still und verträumt, wie es kaum noch jemand irgendwo auf der Welt zu finden erwartete. Immerhin gab es elektrischen Strom, und der Ortsvorsteher besaß ein Telefon. Und die Leute schienen damit durchaus zufrieden zu sein.
    »Aber diese Kutsche konnte man nicht hören«, beharrte Joszef. »Sie ist ganz leise durch Tesciu gerast.«
    Der Wirt winkte ab und ging hinaus, um den Gehweg zu fegen. Gryf sah Vereschy an und machte eine einladende Geste. »Setzen Sie sich an den tisch, Herr Vereschy. Ich habe die Kutsche auch gesehen.«
    »Sie?« Der Mann legte die Stirn in Falten. Gryf wußte, daß ihm von den Dörflern Mißtrauen entgegengebracht wurde. Er war ein Fremder, das reichte dafür schon aus. Er gehörte nicht zu der verschworenen Gemeinschaft. Niemand kannte ihn so recht, und alles unbekannte ist zuerst einmal nicht gut.
    »Ein Zweispänner, nicht wahr? In einem Tempo, als wolle er fliegen. Ein bärtiger, dunkel gekleideter Mann auf dem Kutschbock…«
    »Ja, ja, richtig, Herr…«
    »Landrys«, sagte Gryf. »Immer noch.«
    »Ach ja. Sie kommen aus England, nicht?«
    Gryf nickte. »So ungefähr. Sie haben die Kutsche also gesehen… haben Sie eine Ahnung, wo sie herkam oder wo sie hingefahren sein könnte?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    Gryf versuchte Vereschys Gedanken zu lesen. Es gelang ihm mühelos. Der Mann fragte sich, ob Gryf ein verkappter Geheimpolizist sei, der die Dorfbewohner aushorchen wollte, ob sie auch schön brav und regierungstreu waren.
    »Nun, wenn man die Kutsche sieht, die beim Fahren keine Geräusche erzeugt, gibt einem das zu denken, nicht wahr?« sagte Gryf.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Vereschy.
    Er hatte doch eine. Sehr vage nur… Gryf konnte nicht mehr erkennen als etwas Oberflächliches. Joszef Vereschy bemühte sich krampfhaft, nicht an einen Vampir zu denken.
    Der Druide beschloß, mit der Tür ins Haus zu fallen. »Ich glaube erkannt zu haben, daß der Kutscher ein Vampir ist«, sagte er und verschwieg, unter welchen Umständen er diese Beobachtung gemacht hatte.
    Es gab einen lauten Doppelknall. Vereschy, in der Linken den Fruchtsaft, in der Rechten den nur noch tropfenweise vorhandenen Slibowitz, setzte beide Gläser hart auf die Tischplatte.
    »Nein!« sagte er. »Das ist - unmöglich.«
    »Ich weiß, was ich gesehen habe«, sagte Gryf sanft.
    Vereschy war kreidebleich geworden. Seine Gedanken drehten sich jetzt intensiv um den Vampir auf dem Kutschbock. »Aber - aber das ist unmöglich«, keuchte der Müßiggänger. »Einfach unmöglich…«
    »Wieso? Sie haben doch eben selbst an diese Möglichkeit gedacht, Herr Vereschy…«
    Vereschy sog scharf die Luft ein. »Es muß der Vampir sein. Alles deutet darauf hin.«
    »Sie haben recht«, flüsterte er. »Es muß der Vampir sein. Alles deutet darauf hin. Die lautlos fahrende Zweispanner-Kutsche, die dunkle Kleidung, der Bart… es muß der Roatec sein. Aber… das ist unmöglich. Er ist seit… na, seit zweihundert Jahren tot. Oder nicht ganz zweihundert. Ich müßte nachrechnen…«
    Gryf verzichtete großzügig darauf, sich Vereschys Rechenkünste demonstrieren zu lassen.
    »Es kann nicht sein. Die haben ihn damals mitsamt seinem Schloß verbrannt. Er ist tot. Er kann nicht wieder aufgetaucht sein, um sein Unwesen zu treiben…«
    O doch, dachte Gryf grimmig. Und ob er wieder aufgetaucht ist, dieser ominöse Roatec, und er hat das süße Mädel mit sich genommen, förmlich aus meinen Armen gepflückt…
    Der Wirt kam wieder herein. Er hatte Vereschys letzte Worte gehört.
    »Redet ihr von dem verfluchten Baron?«
    »Roatec«, sagte Gryf.
    »Willst du etwa den gesehen haben?« Der Wirt schüttelte den Kopf. »Dann hast du geträumt. Entschuldigen Sie, Herr Landrys. Aber Joszef spinnt manchmal ein wenig. Er muß gestern zu viel getrunken haben…«
    Gryf verzichtete
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