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0330 - Die lebende Legende

0330 - Die lebende Legende

Titel: 0330 - Die lebende Legende
Autoren: Jason Dark
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wunderbar. Auch die Hähnchenschenkel mundeten mir.
    Wir aßen, sprachen, lachten, tranken die Säfte und waren glücklich.
    Niemand von uns ahnte, wie schlimm, grausam und schrecklich die Nacht noch werden sollte. Das Grauen näherte sich bereits, nur merkten wir nichts davon.
    Wir schafften nicht alles. Es war einfach unmöglich. Helen mußte ein Drittel wieder einpacken. Danach lagen wir nebeneinander und schauten in den Himmel.
    Ich war regelrecht ermattet, neben mir hörte ich Helens Atemzüge, die sehr regelmäßig gingen, als würde sie schlafen.
    Ich faßte nach ihrer Hand. Kaum spürte sie die Berührung, als sie fester zugriff. Für mich ein Beweis, daß sie nicht schlief. Unsere Hände lagen ineinander. Beide rührten wir uns nicht. Niemand sprach ein Wort. Wir brauchten auch nicht zu reden, da wir beide wußten, was wir wollten. Es stand unausgesprochen zwischen uns.
    Ich hatte Helen Zeit gegeben, wollte sie nicht drängen und tat es auch jetzt nicht. Wenn sie etwas von mir wollte, sollte sie mir ein Zeichen geben, einen Anstupser.
    Das tat sie.
    Ich spürte den Druck ihrer Hand. Er war wesentlich härter geworden, als zuvor. Auch merkte ich, daß ihre schmalen Finger zitterten. Dann hörte ich ein schluchzendes Geräusch.
    Helen weinte.
    Ich war ein wenig verstört, das mußte ich zugeben, blieb noch starr liegen und schaute erst dann auf die neben mir liegende Helen.
    Sie weinte fast lautlos. Auf ihrer Wange sah ich einen nassen Streifen, der sich erst am Hals verlief.
    »Was hast du?« fragte ich sie. »Habe ich etwas falsch gemacht?«
    »Nein, du nicht.«
    »Sondern?«
    »Ich habe Angst. Eine furchtbare Angst…«
    Ich lachte, obwohl ich es gar nicht wollte, und setzte sofort eine Erklärung hinterher. »Du brauchst doch keine Angst zu haben, meine Liebe. Jede Frau hat das einmal durchgemacht. Du wirst sehen, wie schön es sein kann…«
    »Das meine ich nicht, Yakup.«
    »Wovor hast du denn Angst?«
    »Ich kann es dir genau sagen. Oder wieder nicht genau. Ich habe das Gefühl, daß noch etwas passieren wird. Etwas Schreckliches, nicht Faßbares. Glaub es mir!«
    »Was ist es denn?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Ich lachte. »Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin bei dir. Ich werde sie alle abwehren, die dir etwas tun wollen…«
    Helen lachte. »Du bist lieb«, antwortete sie, rollte sich herum und lag plötzlich auf mir.
    Ich merkte den Druck ihres Körpers, sah ihr Gesicht dicht vor dem meinen und spürte ihre Hände an meinen Wangen. Sie weinte und sagte:
    »Bitte, Yakup, tu es jetzt. Ich bitte dich, mach es! Ich möchte noch einmal richtig leben, bevor ich…« Ihre Stimme versiegte in einem schluchzenden Geräusch.
    Mir rann es kalt über den Rücken. Solche Worte hatte ich von ihr noch nie gehört. Das war grauenhaft, sie machte mir Angst, dennoch versuchte ich zu lachen.
    »Helen, was ist los mit dir? So kenne ich dich nicht.«
    »Tu es, Yakup, bitte. Bevor es zu spät ist. Ich weiß, es ist die letzte Nacht für uns beide. Wir können dem Grauen nicht entgehen, auch wenn wir fliehen, schaffen wir es nicht. Bitte…«
    Ihre Forderung war so heftig, daß sie mich damit überraschte. Ich wußte nicht, wie ich reagieren sollte. Sicher, ich hatte mich lange danach gesehnt, Helen zur Frau zu machen. Zu meiner Frau, denn ich wollte mich nicht mehr von ihr trennen. Aber auf diese Art und Weise?
    So heftig, so überzogen, so abrupt, wie sie plötzlich reagierte?
    Nein, das verstand ich nicht. Ich konnte auch mit ihren Worten nichts anfangen. Sie hatte von einem Grauen gesprochen, das auf uns zukommen würde.
    Was meinte sie damit?
    Erst mußte ich das klären, bevor wir weiterredeten. Ich faßte ihre Arme in Höhe der Ellbogen und stemmte sie von mir. Enttäuscht sah ihr Gesicht aus.
    »Willst du mich nicht mehr?«
    Ich schaute sie an, als sie vor mir saß. Helen hatte sich eine Jacke über den Oberkörper gestreift. Ihr Gesicht war noch immer von den Tränenspuren gezeichnet. Sie wirkte so ungemein hilflos. Ich konnte nicht anders und mußte einen Arm um sie legen.
    »Bitte, Helen, sag mir, was los ist. Ich möchte es wissen.«
    Helen legte ihren Kopf an meine Schulter. »Ich kann es nicht, Yakup. Wirklich nicht.«
    »Du hast von einer Gefahr gesprochen. Von dem Grauen, das auf uns lauern soll…«
    »Ja, es wird kommen.«
    »Aber…«
    Sie reagierte schnell und ließ mich nicht zu Ende sprechen. Statt dessen legte sie mir einen Finger auf die Lippen. Dann bewegte sie die Arme und zog mich an
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