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032

Titel: 032
Autoren: Die Seiltänzerin
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Er war Spielmann, ein geübter Musiker und Sänger, der über ein großes Repertoire von Liedern verfügte, die berühmte Heldentaten und heroische Liebesgeschichten beschrieben. Außerdem sahen die einfachen Dorfbewohner in ihm eine bedeutende Persönlichkeit, weil er ein gutes Pferd besaß. Deri ritt ein kleineres, und das Gepäck wurde von einem Muli getragen.
    Zudem sah Telor vornehm aus. Er war größer als die meisten Dörfler und sauberer.
    Sein Gesicht war nicht sonderlich bemerkenswert. Es war lang und schmal, wie das eines Edelmanns. Er hatte blaue Augen, eine gerade Nase und einen Mund, der ständig zu lächeln schien. Sein sauberes, glänzendes Haar war sorgfältig geschnitten und gekämmt, wie das eines Edelmanns, und sein ruhiges Betragen und seine offenkundige Selbstsicherheit beeindruckten die schlichten Gemüter.
    An sich bestand sein eigentliches Publikum aus Adligen, für die sein Repertoire von Bedeutung und Relevanz war. In einem Herrensitz oder einer Burg gab Deri vor, sein Diener zu sein. Das war Erklärung genug für seine Anwesenheit. Manchmal wurde Telors Status dadurch noch gehoben, so dass Deri wie ein Diener untergebracht wurde, statt in eins der Versorgungsgebäude auf dem Hof verbannt zu werden.
    Daher war Telor überhaupt nicht überrascht, dass die Leute von Goatacre, nachdem er Deri offenbar zur Ruhe gebracht hatte, sich in einem Dilemma befanden. Sie hatten seine Qualitäten erkannt, durch die er Anspruch auf die besten Dinge hatte, die sie bieten konnten. Sie wussten jedoch, dass Deri in den Stall gehörte. Der Dorfvorstand hätte Telor gern in sein Haus geladen, wollte Deri jedoch nicht mit seinen Kindern zusammen sehen. Telor beschwichtigte die Zweifel des Mannes rasch, indem er darum bat, den Stall benutzen zu können, den er gesehen hatte. Der Stall war gefegt und frei vom Gestank der Ziegen, die bei diesem milden Wetter auf dem Anger weideten. Der Ortsvorsteher hielt Telor für rücksichtsvoll, doch in Wahrheit zog Telor den Schuppen vor, weil er dort weniger Flöhe bekommen und nicht so häufig von Wanzen gebissen werden würde wie in der Hütte des Dorf Vorstandes. In diesem Moment erzählte der Ortsvorsteher ihm aus einer Anwandlung von Sympathie, dass die Bewaffneten des Burgherrn ihm von Kämpfen bei der alten Straße berichtet hätten, die von Marlborough nach Bath führte. Im Verlauf dieser Gefechte war die Veste im Nordwesten angegriffen und erobert worden.
    Telor bedankte sich bei dem Dorfvorsteher und erwiderte, er und Deri würden anderswo hinziehen, doch als er dann mit dem Zwerg allein war, fluchte er lange und verbittert. Er sollte bei der Hochzeit des ältesten Sohnes des Herrn de Dunstanville singen, der auf Burg Combe wohnte, die im Nordwesten des Dorfes lag.

    Er wagte nicht, seiner Verpflichtung nicht nachzukommen, denn dann würden die de Dunstanvilles ihn einen Kopf kürzer machen, sobald sie seiner habhaft geworden waren. Andererseits konnte er nicht sicher sein, dass er, nachdem er und Deri die Gefahren eines Ritts durch Kriegsgebiet überstanden hatten, Mylord de Dunstanville noch als Zwingherrn des Keep vorfinden würde. Nachdem er einen Teil seiner Wut durch Verfluchen aller an diesem dummen Krieg, der überall im Lande ausgebrochen war, beteiligten Parteien abreagiert hatte, verfiel er in Schweigen und schaute seinen Begleiter an.
    Da das Gesicht des Zwerges entspannt war und sein Körper sich im Schatten der Kuhstallwand befand, sah Deri ausgesprochen gut aus. Aus seinen großen dunklen Augen sprach wache Intelligenz. Er hatte eine gerade Nase und schön geschwungene Lippen, glänzende schwarze Locken und einen gepflegten kurzen Bart. Der Bart und die Locken, beides gekämmt und gelockt und nicht verdreckt, hätten den Eindruck eines einfältigen Toren erheblich gemindert, wäre das den Leuten aufgefallen, doch die meisten sahen nur den verkrüppelten Körper.
    Deri lachte leise. Nur bei ihm verzichtete Telor darauf, seine heftigen Gefühle unter Kontrolle zu halten. Die Verbindung eines ausdruckslosen Gesichts mit sanften Manieren bildete die wirkungsvollste Täuschung. Telors blaue Augen und sein weiches braunes Haar wirkten harmlos, und die Tatsache, dass er sauber rasiert war, ließ ihn jünger wirken, als er war. Seine Statur, die größer als der Durchschnitt war, verlieh ihm ein schlankes, geschmeidiges Aussehen. Die meisten Leute nahmen irrigerweise an, er sei ein Schwächling, weil sie nicht die kräftigen Armmuskeln und den gestählten
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