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03 - komplett

03 - komplett

Titel: 03 - komplett
Autoren: 2 Romane
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ja, er war es. Sie hatte ihn sofort wiedererkannt. Obwohl er recht weit von ihnen entfernt war, glaubte sie, seine blauen Augen sehen und den melodiösen irischen Akzent hören zu können.
    Mühsam riss sie den Blick von seinem Gesicht los und musterte seine Kutsche. Er fuhr einen gefährlich hohen Phaeton, an seiner Seite saß eine zierliche Dame, die in zitronengelbem Musselin sehr elegant und apart aussah. Ihr Gesicht wurde allerdings von einem Schirm verdeckt, den sie zum Schutz gegen die Sonne aufgespannt hatte. Nur eine einzige Strähne, genauso schwarz wie das Haar des Majors, lugte unter dem mit Stiefmütterchen geschmückten Strohhut hervor.
    „Ich glaube, er wird von Signorina Laviola begleitet“, sagte Lucinda. „Ja, sie ist es“, fuhr sie aufgeregt fort, als die Frau den Kopf von ihrem Begleiter abwandte.
    „Starr doch nicht so, Lucinda“, drängte Rachel sie. „Er könnte sich umdrehen und uns sehen.“
    „Dazu ist er wohl zu gefesselt von seinem Singvögelchen. Lord Harley übrigens auch.
    Siehst du, da drüben steht er mit einigen seiner genauso dumm gaffenden Freunde.
    Wie es heißt, war die liebreizende Laviola kurz davor gewesen, Harley zu erhören, bis sie ihn zugunsten eines reicheren Galans wie eine heiße Kartoffel fallen ließ.“
    Rachel konnte sich vorstellen, wer dieser reichere Galan war. Sie ließ sich abrupt in die weichen Polster des Landauers sinken und hielt ihren Sonnenschirm so, dass er sie zwar nicht vor der Sonne, aber vor neugierigen Blicken zu ihrer Linken schützen konnte. „Was versperrt uns denn bloß den Weg?“, rief sie ungeduldig. Der Landauer und der Phaeton standen auf etwa gleicher Höhe, wenn auch in einiger Entfernung zueinander. Keiner von beiden konnte sich allerdings fortbewegen, da ganz plötzlich Gefährte jeder erdenklichen Art die enge Straße zu blockieren schienen.
    Auch Lucinda reckte den Hals und beugte sich so weit wie möglich vor, um die italienische Sopranistin besser sehen zu können. Die Signorina war erst seit wenigen Monaten in London, doch die Gerüchteküche hatte bereits zu kochen begonnen, kaum dass sie erschienen war. Niemand sprach über etwas anderes als ihre süße Engelsstimme – und den himmlischen Leib, den jeder Teufel in sein Bett locken wollte. So hatte Lucinda sich jedenfalls sagen lassen. Noch entschlossener, einen weiteren Blick zu erhaschen, bog sie sich zur Seite. Ihre Absicht wurde jedoch von einer Droschke zu ihrer Linken vereitelt, deren Räder sich in die eines Brauereiwagens verkeilt hatten. Der Kutscher hatte versucht, sich zwischen den Wagen und ein Kohlenfuhrwerk zu zwängen, und es nur geschafft, sich gründlich festzufahren. Zweifellos war er darauf aus gewesen, seinen Fahrgast rechtzeitig ans Ziel zu bringen und sich ein ordentliches Trinkgeld zu verdienen. Inzwischen wimmelte es von Wagen, die einander im Weg standen, und das Stimmengewirr verärgerter Menschen erfüllte die Luft.
    Rachel wurde unruhig. Die Wahrscheinlichkeit wurde immer größer, ein bestimmter schwarzhaariger Herr könnte sich umdrehen, um zu erkunden, was es mit den lauten Schimpftiraden des Droschkenkutschers auf sich hatte, und sie entdecken. Sie sprang auf, um die Lage besser einschätzen zu können. Einige Meter entfernt beschwerte sich ein Straßenhändler gerade lauthals bei einem gleichgültigen Konstabler und wies immer wieder heftig gestikulierend auf seine umgestürzte Schubkarre und das auf der Straße liegende Obst.
    Die Auseinandersetzung zwischen dem Droschkenkutscher und dem jungen Brauer zog wieder Rachels Aufmerksamkeit auf sich, da die Beleidigungen, die sie austauschten, zunehmend an Einfallsreichtum gewannen. In diesem Moment steckte der Passagier der Mietkutsche den Kopf mit seiner gepuderten Perücke heraus und bedachte den Kohlenmann mit einer ausnehmend groben Geste. Offenbar weil dieser das Recht zu haben glaubte, wegen seiner verbogenen Radspeichen seine unbedeutende Meinung zum Streit beisteuern zu dürfen.

    Rachel zupfte ihren Fahrer am Ärmel. „Können Sie den Wagen nicht wenden, Ralph?“, bat sie ihn, obwohl sie bereits wusste, dass bei diesem Gedränge ein solches Manöver regelrecht unmöglich war.
    „Geht nicht, Miss Rachel, sonst wär ich schon längst hier weg. Eine Dame dürfte sich so ’ne Pöbelei nicht mit anhören müssen.“ Womit er dem Jungen auf dem Brauereiwagen einen strengen Blick zuwarf und den Kopf schüttelte über den wie ein Jurist aussehenden Mann in der Kutsche.
    „Was geht denn
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