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03 Göttlich verliebt

03 Göttlich verliebt

Titel: 03 Göttlich verliebt
Autoren: Josephine Angelini
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parallel zu Orions Wirbelsäule verlief. Es sah aus, als hätte jemand versucht, ihn in zwei Teile zu hacken. Sie spürte, wie Lucas nach ihrer Hand griff und sie fest drückte.
    »Verzieht euch! Und zwar alle!«, befahl Hector, als ihm das geschockte Schweigen und die entsetzten Blicke auffielen. Er beugte sich vor und versuchte, Orion mit seinem Körper zu verdecken. »Du auch, kleine Nervensäge«, sagte er wesentlich freundlicher zu Cassandra, die immer noch auf dem Boden hockte.
    »Nein«, protestierte sie stur. Der dicke schwarze Zopf, der ihr auf den Rücken hing, hatte sich gelöst, und ihr Gesicht mit der Alabasterhaut, den dunklen Augen und den leuchtend roten Lippen sah aus wie eine Maske. »Ich bleibe hier. Er könnte mich brauchen.«
    Hector gab mit einem zögernden Nicken sein Einverständnis und legte den nahezu ohnmächtigen Orion wieder hin. »Geht raus«, sagte er über die Schulter, diesmal aber wesentlich ruhiger. Alle wandten sich sofort zum Gehen.
    In der Tür mussten sich Helen und Lucas gegenseitig stützen, denn nachdem der Adrenalinstoß vorbei war, fühlten beide wieder ihre schweren Verletzungen. Doch statt den beiden zu erlauben, einander zu helfen, eilte Pallas zu Lucas, und Daphne war sofort an Helens Seite – als müssten sie die beiden so schnell wie möglich voneinander trennen.
    »Wusstest du davon?«, fragte Lucas, bevor man sie in verschiedene Richtungen wegbrachte.
    »Nein. Ich habe ihn nie nackt gesehen«, antwortete Helen unverblümt. Sie war immer noch zu schockiert, um irgendwelches Taktgefühl aufzubringen. Sie hatte zwar Morpheus als Orion halb nackt gesehen, erinnerte sie sich, aber nicht Orion selbst. Lucas nickte und die Besorgnis verdüsterte sein Gesicht.
    »Zurück ins Bett, Helen«, befahl ihre Mutter streng und zwang sie, sich umzudrehen.
    Helen ließ sich von ihrer Mutter neben die schlafende Ariadne legen. Doch als sie die Augen schloss und wieder einzuschlafen versuchte, hörte sie im Nebenzimmer Noel und Castor reden. Einen Moment lang bemühte sich Helen, ihre Stimmen auszublenden und nicht in ihre Privatsphäre einzudringen, aber ihre betroffenen Worte hätte nicht einmal ein Normalsterblicher überhören können.
    »Woher hat er diese Narben, Castor?«, fragte Noel mit zittriger Stimme. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Und ich habe schon einiges zu sehen bekommen.«
    »Solche Narben kann ein Scion nur in frühester Jugend davontragen«, erklärte Castor und versuchte, seine Stimme zu dämpfen.
    »Aber unsere Jungs haben pausenlos gekämpft, als sie klein waren. Weißt du nicht mehr, wie Jasons Speer Lucas an der Decke festgenagelt hat? Und die drei haben nicht eine einzige Narbe davongetragen«, ereiferte sich Noel, ohne auf Castors Hinweis einzugehen, dass sie leiser sprechen sollten.
    »Unsere Jungs hatten immer ausreichend Nahrung und einen sauberen Ort für ihre Heilung, nachdem sie aufeinander losgegangen waren.«
    »Und Orion nicht? Willst du das damit sagen?« Noels Stimme brach.
    »Nein. Wahrscheinlich hatte er das nicht.«
    Helen hörte Castor tief seufzen.
    »Diese Narben deuten darauf hin, dass Orion sehr jung war, als er so schwer verletzt wurde. Und danach muss er während seiner Heilung Hunger und Durst gelitten haben. Es war niemand da, der sich um ihn gekümmert hat. Dass du noch nie solche Narben bei einem Scion gesehen hast, liegt nur daran, dass die meisten eine solche Verletzung nicht überlebt hätten.«
    Helen biss die Zähne zusammen und drehte ihr Gesicht ins Kissen, denn sie wusste genau, dass jeder im Obergeschoss das Gespräch von Noel und Castor gehört hatte. Ihr Gesicht glühte bei der Vorstellung, wie jetzt alle über Orion dachten – wie sie den gequälten und vernachlässigten kleinen Jungen bedauerten, der er einst gewesen war.
    Er hatte etwas Besseres verdient. Er verdiente Liebe, nicht Mitleid. Helen spürte, dass ihre Mutter sie ansah, als sie versuchte, gegen die Tränen anzukämpfen. Sie zog sich die Bettdecke über den Kopf.
    Daphne ließ ihre Tochter weinen, bis sie in einen tiefen Schlaf versunken war.
     
    Helen sah, wie ihr anderes Ich von einer wütenden Menge zu Boden getreten wurde.
    Das Kleid der anderen Helen war zerrissen und voller Flecken von den verdorbenen Früchten, die man auf sie geworfen hatte. Aus einer großen Schnittwunde am Kopf lief Blut, ebenso aus ihrem Mund, und auch die Schürfwunden an ihren Handflächen, die sie sich bei den Stürzen zugezogen hatte, bluteten. Die aufgebrachte
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