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0294 - Das Grauen wohnt in toten Augen

0294 - Das Grauen wohnt in toten Augen

Titel: 0294 - Das Grauen wohnt in toten Augen
Autoren: Rolf Michael
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Spuk um das Lager zog, wurden immer kleiner. Vereinzelte Reiter fegten schon in voller Karriere über den Platz. Immer deutlicher erkannte Sabine Janner die Gestalten.
    Sie waren vollständig von gelber Farbe. Wie eine Figur, die ein Künstler erst aus Ton modelliert, um sie im Ofen zu festigen und sie dann zu bemalen.
    Ob es die Körper der Tiere waren, auf denen sie ritten, die wehenden Burnusse, in die sie gehüllt waren oder die Waffen, die sie in ihren Händen schwangen. Alles an ihnen war gelb. Gelb wie der Sand der Sahara.
    Dann sah sie die Gesichter, wenn man in diesem Fall von Gesichtern reden konnte. Sabine Janner sah kahle Totenschädel unter wehenden Tüchern. Aus den hohlen Augenhöhlen starrte das Nichts. Gebleckte Gebisse grinsten sie an.
    Auch die Hände, welche die Zügel führten oder die Waffen schwangen; hatten kein Fleisch oder eine ähnliche Substanz auf den Knochen.
    Eine Armee reitender Skelette umkreiste das Mädchen, das verzweifelt ein vor Angst halb wahnsinniges Kamel festhielt.
    Achmed ben Mahmoud hatte recht gehabt. Das waren keine Menschen aus Fleisch und Blut. Es war grausiger Spuk, den die Wüste hervorgespien hatte.
    Verzweifelt blickte das Girl um sich. Der Kreis war bereits geschlossen. Keine Möglichkeit mehr zu entkommen. Wie ein Strudel umquirlten sie die Geisterreiter, die mit jedem Kreis spiralförmig näher auf sie eindrangen.
    Das Mädchen bezwang sich mit aller Kraft, jetzt nicht die Nerven zu verlieren. Alles in ihr drängte danach, die Angst gellend herauszuschreien. Sie mußte an sich halten, daß sie sich nicht zu Boden warf und das Ende erwartete.
    Eine Gefahr, der man sich stellt, hört auf, eine Gefahr zu sein.
    Bis jetzt hatten die Geisterreiter noch nicht versucht, sie anzugreifen. Sie waren nur mit wilden Drohgebärden um sie herumgeritten und schwangen ihre Waffen. Aus dem Heulen des Sandsturms klangen Geräusche, die an einen Choral erinnerten, den ein Geistesgestörter komponiert haben mußte.
    Alle Kraft bot Sabine Janner auf, stehenzubleiben. So gut es bei dem tobenden Inferno des Sandsturms ging, hob sie stolz den Kopf empor, und ihr langes Blondhaar bildete einen eigenartigen Kontrast zu dem rasenden Sand. Ihre Finger verkrallten sich weiterhin im Kopfgeschirr des kleinen Kamels, das in die Knie gesunken war und nur noch zeitweilig klagend blökende Laute ausstieß.
    »Kommt nur!« flüsterte Sabine Janner. »Ich fürchte euch nicht. Ich fürchte euch nicht. Ich fürchte…!«
    In diesem Moment war der erste Reiter so weit herangekommen, daß Sabine fast von der bebenden Flanke des Pferdes gestreift wurde.
    Sie sah das Aufglühen der leeren Augenhöhlen und erkannte die Bewegung, mit welcher der unheimliche Reiter die Lanze hob. Im nächsten Moment zischte sie heran. Geistesgegenwärtig bog sich Sabine Janner zur Seite.
    Nur eine Handbreit sirrte die Lanze vorbei. Die Spitze bohrte sich in den Sand. Zitternd blieb der Schaft stecken.
    Doch nur für einen ganz kurzen Moment. Dann ging mit der Lanze eine seltsame Veränderung vor.
    Sie zerfiel zu Staub. Sie wurde feinkörniger Sand. Sand der Sahara, aus dem auch der Geisterreiter und sein unheimliches Pferd waren.
    In Sabines Kopf rasten die Gedanken. Was bedeutete das? Wurden diese Sandwesen wieder zu feinkörnigem Material, wenn sie zu Boden gingen?
    Das Girl hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Mit orgelndem Heulen stürmte der nächste Reiter heran. Sabine sah, daß ein krummer Säbel, von einer Knochenhand geführt, durch die Luft pfiff.
    Geistesgegenwärtig ließ sich Sabine nach vorn fallen. Das war ihr Glück. Sie spürte den Luftzug der Klinge und bemerkte beiläufig, daß ihr der Säbel eine Locke ihrer blonden Haare abgetrennt hatte.
    Ein eisiger Schreck durchzuckte sie. Gedanken wirbelten durcheinander.
    Kamen die Waffen mit der Erde in Berührung, wurden sie wieder zu Sand. Doch in der Hand des Geisterreiters hatten sie die Haltbarkeit einer echten Waffe. Der Säbel mußte jedenfalls scharf wie ein Rasiermesser sein, wenn er in dieser Geschwindigkeit ein Haar abtrennen konnte.
    Sabine wußte nicht, wie sie sich wehren sollte. Sie hatte keine Waffe, um die Hiebe zu parieren. Nicht einmal einen Stock, um die Schläge abzulenken.
    War dies das Ende?
    Denn es waren zu viele Reiter. Sie konnte nicht oft genug den Hieben oder Würfen ausweichen. Wenn sie nur wüßte, wie sie aus der Defensive heraus angreifen könnte.
    Nur im Angriff lag die wirksamste Verteidigung. Sie konnte sich nicht heulend
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