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0286 - Als der weise Merlin starb

0286 - Als der weise Merlin starb

Titel: 0286 - Als der weise Merlin starb
Autoren: Manfred Weinland
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zugleich.
    Sein Blick blieb an den beiden Zahnreihen der Gnomenfigur hängen, die durch das Hochziehen der Mundwinkel in der linken Gesichtshälfte sichtbar waren. Mit Verwunderung stellte er fest, daß sie geschliffen scharf waren und einer etwas länger als die anderen hervorstach. Peter stellte sich vor, daß in der von dicken Lippenwülsten überdeckten rechten Mundhälfte ebenfalls ein solcher Zahn verborgen sein könnte. Vampirzähne, dachte er spöttisch und schalt sich selbst einen Narren, weil ihm der Gedanke einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Ein Eisengnom mit Vampirzähnen und böse glotzendem Auge… Verrückt!
    Er spürte plötzlich ein großes Verlangen, das Ding einfach von sich zu schleudern, hinab in den Abgrund, der ihm beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Doch etwas ließ ihn zögern. Etwas stimmte nicht an der ganzen Sache.
    Die Figur konnte nicht von selbst gegen die Windschutzscheibe des Wagens geflogen sein… so etwas regnete nicht einfach von Himmel… Jemand mußte damit geworfen haben!
    Aber wer? Und warum?
    Peter ließ seinen Blick über die stille nächtliche Landschaft schweifen.
    Nichts.
    Keine Menschenseele - kein Fahrzeug, das außer ihm zu dieser Stunde auf dieser Straße fuhr.
    Er war allein mit dieser Figur und dem Dunkel der Nacht!
    »Ach was!« rief er plötzlich laut, als müsse er sich selbst etwas Mut machen. »Da ist niemand. Für alles gibt es eine Erklärung, auch dafür… Vielleicht ist die Figur aus einem vorausfahrenden Wagen gefallen, den ich nicht mehr sehen konnte, weil er um die Kurve verschwand…«
    Etwa zwanzig Meter voraus bog sich die Straße nach rechts.
    Aber hätte er nicht zumindest Scheinwerfer sehen müssen…?
    Es blieb mysteriös.
    Schluß jetzt, entschied er. Morgen ist immer noch Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Erst mal nach Hause. Ich brauche schließlich auch meinen Schlaf…
    Noch einmal besah er sich die Umgebung, soweit sie von den Autolampen aus der Schwärze gerissen wurde.
    Als er immer noch nichts Verdächtiges ausmachen konnte, kehrte er in den Wagen zurück. Die Eisenfigur hielt er fest in der Hand. Er benutzte sie, um die zersplitterte Frontscheibe mit ein paar gezielten Schlägen gänzlich zu entfernen. Die Scherben fielen nach draußen und schlitterten über den Lack der Motorhaube. Die paar Meilen bis nach Hause mußte es so gehen. Immer noch besser, als die Strecke zu Fuß zurückzulegen.
    Peter Banshee grinste halbwegs zufrieden, legte die Figur auf den Beifahrersitz und startete den Motor. Langsam rollte der Wagen an.
    Auf dem Sitz begann sich die Gnomengestalt kaum merklich zu regen…
    ***
    Sara Moon löste den Blick von der Bildkugel und sah zu den sechs Statuen, die sie unbeweglich umringten. Wie die Druidin schienen auch sie inmitten des Sternengewimmels in der Kammer der Macht frei zu schweben. Ihre dämonische Ausstrahlung war deutlich spürbar, bereitete der Unsterblichen jedoch kein Unbehagen, da in ihr dieselbe dunkle Magie wirkte, die von den MÄCHTIGEN in die kleinen Figuren gepflanzt worden war.
    Sara Moon lächelte bösartig, als sie an den Plan dachte, in den sie der MÄCHTIGE vor einigen Wochen irdischer Zeitrechnung eingeweiht hatte.
    Und ihr Lächeln vertiefte sich noch, während sie sich das Bild der schlafenden Merlingestalt in Erinnerung rief, die irgendwo in den Gewölben der Stonehenge-Basis ihrem Erwachen entgegenfieberte.
    »Bald«, flüsterte sie. »Bald bist du auf unserer Seite. Und wer soll uns dann noch aufhalten…«
    Sechs rotglühende Augen aus sechs eisernen Gnomengesichtern starrten sie an, während sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Treiben der siebten Figur lenkte, in deren Klauen gerade ein Mensch starb…
    ***
    Vor ihm tauchten die ersten Häuser von Calvany auf.
    Peter Banshee atmete unbewußt auf. Gleichzeitig verfluchte er den Umstand, daß er seinen Körper auf der sonnabendlichen Zechtour nicht besser gegen die Unbilden der Natur geimpft hatte. Ein erstes Kratzen in seinem Hals rührte bestimmt nicht vom rauhen Whisky her; der Fahrtwind jagte ihm eisig kalt um die Ohren, obwohl er nicht schneller als fünfzig Meilen die Stunde fuhr.
    Die Scheinwerfer erfaßten das schiefhängende Ortsschild am Dorfeingang. Peter nahm kaum Notiz davon. In Gedanken lag er bereits daheim im warmen Bett, mit einem steifen Grog im Bauch.
    Calvany war ein Zweihundertseelendörfchen am Hinterteil der Welt. Die nächstgrößere Stadt hieß London, aber mit Sicherheit hatte bisher noch
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