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0219 - Acht Kugeln für das dritte Opfer

0219 - Acht Kugeln für das dritte Opfer

Titel: 0219 - Acht Kugeln für das dritte Opfer
Autoren: Acht Kugeln für das dritte Opfer
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allerdings ein bißchen schwer.«
    »O Sir!« grinste Tonio und zeigte sein Prachtgebiß. »Tonio ist stark, Sir! Ich habe viel Kraft!«
    Er beugte den rechten Arm und zeigte auf seinen Bizeps. Der Boß lachte schallend. Es war eine Kleinigkeit zu laut, dieses Lachen. Aber Tonio war viel zu arglos, als daß es ihm aufgefallen wäre. Er schnallte sich den Rucksack auf den Rücken, verabschiedete sich von den beiden Männern und wurde vom Boß bis hinauf auf die äußerste Galerie geleitet.
    Tonio kniff die Augen zusammen, als ihm der Wind den eisigen Schneeregen ins Gesicht peitschte. Mit der ganzen Unbekümmertheit seiner zweiundzwanzig Jahre stampfte Tonio die äußere Galerie entlang und suchte den Beginn des Stegs, der hinüber zum Kran führte.
    Endlich; dachte er, endlich kann ich aus diesem muffigen Verschlag heraus. Ich bin in Amerika, ich habe einen Paß und ich habe einen Job! Das Leben ist schön. Zu Hause haben sie mir alle abgeraten, den Sprung über den großen Teich zu machen, aber, zum Teufel, zu Hause kann man nichts werden. Italien ist ein armes Land und bietet wenig Möglichkeiten für seine Söhne, wenn sie nicht aus den alten Adelshäusern oder vom Großgrundbesitz kommen. Aber hier, in den Staaten, hier gibt es bestimmt noch Möglichkeiten, voranzukommen. Es m u ß hier einfach Möglichkeiten geben, oder die Hoffnungen von ganzen Völkern wären betrogen.
    Toni war so erfüllt von neuem Lebensmut, von hochfliegenden Hoffnungen, daß er um ein Haar am Steg vorbeigegangen wäre. Im letzten Augenblick noch sah er die beiden straff gespannten Taue, die das Geländer des Verbindungsstegs zwischen Kranbrücke und Speichergalerie bildeten. Tonio hielt sich mit beiden Händen am Geländer der Galerie fest, während er über sie hinweg auf den Steg kletterte.
    Vorsichtig tappte er über den Steg hinüber- bis zum Beginn des Ganges im Stahlgerüst der Kranbrücke. Die Eisenplatten unter seinen Füßen klirrten leise. Dann hatte er ungefähr die Mitte der Brücke erreicht.
    Er setzte den linken Fuß vor, trat plötzlich ins Leere, das Gewicht des schweren Rucksacks drückte ihn nach vorn, seine Hände tasteten vergeblich nach einem Halt. Gellend hallte der Schrei aus seiner Kehle gegen das Wüten des Sturmes an. Aus sechsunddreißig Meter Höhe stürzte Toni hinab in das Becken zwischen den beiden Piers.
    ***
    »Bei mir ist alles ruhig«, meldete der Patrolman Harry Lidders, Dienstnummer 2418, nachts um zwölf Uhr fünfzehn telefonisch seinem Revier. »Bis auf das verdammte Wetter!«
    »Okay, Harry«, erwiderte der Sergeant, der den Anruf entgegennahm. »Der Captain hat gesagt, er hätte nichts dagegen, wenn die Leute vom Außendienst mal ‘ne Tasse heißen Kaffee trinken. Aber ihr sollt euch nicht zu lange dabei aufhalten. Wenn in eurer Nähe was passiert, während ihr gerade den Kaffee trinkt, heißt es am anderen Tag dann in der Zeitung: Polizei läßt sich für Dienststunden bezahlen, die sie in der Kneipe verbringt. Du kennst das ja.«
    »Ich werde bestimmt nicht beim Kaffee einschlafen«, grunzte Harry Lidders. »Aber daß es der Kaptain überhaupt gestattet, ist schon ein Wunder. Hat er Geburtstag, oder was ist mit ihm?«
    »Er muß mit ‘nem Kerl von der Kriminalabteilung zwei Stunden bei dem Sauwetter draußen stehen und auf ‘nen schweren Jungen warten. Das hat sein Verständnis für die Patrolmen bei ihm geweckt.«
    »Gott segne die Kriminalabteilung«, seufzte Harry. »Also ich gehe jetzt weiter, Sergeant!«
    »Okay, Harry.«
    Lidders hing den Hörer zurück in den Blechkasten, drückte die Tür zu und schloß mit seinem Sechskantschlüssel ab. Er zog sich den Ohrenschutz von hinten wieder über den Kopf, drückte die Mütze fester in die Stirn und stapfte weiter. Obgleich er wasserdichte Stiefel trug, hatte er eiskalte Füße. Es mußte am Kreislauf liegen, er war nicht mehr der Jüngste. Mit achtundvierzig Jahren ist der Körper nicht mehr so widerstandsfähig wie bei einem Zwanzigjährigen Harry Lidders überquerte den Bowling Green und stieg breitbeinig über den Haufen Schneematsch, der an den Rand des Gehsteigs gefegt war. Irgendein Abfluß mußte in der Nähe verstopft sein. Das Wasser auf der Straße stand einen halben Zoll hoch. Lidders spuckte aus.
    Harry bog in die Battery Plaza ein, als er ein klirrendes Geräusch hörte. Er blieb stehen, lauschte einen Augenblick und setzte sich dann auf Zehenspitzen in Bewegung. Dieses Geräusch kannte er nur zu gut. Da machte sich wieder einer
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