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02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren

Titel: 02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
Autoren: Choga Regina Egbeme
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darüber gesprochen.“
    „Soll ich dir davon erzählen? Und dann berichtest du, wie es weiterging?“
    Ich nickte heftig und wir gingen hinauf in Mutters Zimmer. Es war längst Mitternacht, doch wir waren zu aufgewühlt, um uns schlafen zu legen.
    „Mutter ist hier“, sagte ich. „Ich spüre es ganz deutlich.“
    „Ich fühle ihre Gegenwart auch“, meinte Magdalena. „Dann will ich jetzt anfangen.“
    Eine Bayerin in Afrika
    „Der deutsche Nachname unserer Mutter ist Hofmayer“, begann Magdalena ihren Bericht. „Sie kam 1933 in Bayern auf einem Bauernhof zwischen Rosenheim und Traunstein zur Welt. Als sie das erste Mal afrikanischen Boden betrat, hatte sie Bayern noch nie zuvor verlassen. Damals war sie 41 Jahre alt und seit 16 Jahren mit ihrem Mann Bruno, ihrer ersten und bis dahin einzigen Liebe, verheiratet. Sie konnte praktisch kein Englisch.“ Meine Schwester musterte mich: „Weißt du eigentlich, dass du einen leicht bayerischen Akzent hast, Choga?“
    Ich verstand nicht, was sie damit sagen wollte. „Ich habe selten mit jemandem Deutsch gesprochen, außer mit Mutter“, antwortete ich.
    „Das meine ich“, sagte Magdalena. „Du hast von Mutter einen bayerischen Akzent übernommen. In Bayern würde man glauben, du wärst dort aufgewachsen. Obwohl du nie dort gelebt hast. Das ist schon eigenartig!“
    Magdalena machte eine Pause, bevor sie fortfuhr. „Am Sarg ist mir aufgefallen, dass Mutter immer noch den Schmuck von früher trägt.“
    Sie meinte ein etwa fünf Zentimeter langes, schlichtes Kreuz aus Silber und einen silbernen Anhänger mit dem Bild des Heiligen Christophorus. „Das Kreuz hat sie zu ihrer Taufe geschenkt bekommen, das Medaillon von ihrem Vater, bevor er in den Krieg zog“, sagte ich. Mutter hatte mir einst von den beiden Schmuckstücken erzählt, von denen sie sich nie trennte. Ich vereinbarte mit Magdalena, dass wir sie unter uns aufteilen sollten.
    „Deine deutschen Großeltern hießen Maria und Sepp Brunner“, fuhr meine Schwester fort, „sie waren Landwirte. Unser Opa meldete sich 1944 freiwillig an die Front; er starb, als Mutter zwölf Jahre alt war. Oma Maria bewirtschaftete daraufhin den Hof gemeinsam mit Xaver, Mutters acht Jahre älterem Bruder.
    Mutter ging damals noch zur Schule. Es war eine Hauswirtschaftsschule.
    Irgendwann kehrte sie dann als Hauswirtschafterin auf den elterlichen Hof zurück. Auf dem Brunnerhof gab es nicht nur Kühe und Schweine, sondern auch eine umfangreiche Geflügelzucht, um die sich Mutter ganz besonders kümmerte.
    Auf den fruchtbaren Feldern gediehen Mais und Getreide. Oma Maria hat ihre eigenen Bedürfnisse immer hintan gestellt und sich selbst nie etwas gegönnt.
    Obwohl sie eine vermögende Frau war. Aber das hat sie nie interessiert. Sie machte einfach nur ihre Arbeit und ging jeden Sonntag, nachdem sie das Vieh versorgt hatte, in die Kirche. Du weißt ja selbst, dass auch Mutter sehr gläubig war“, sagte Magdalena.
    „Ja, natürlich, sie hat auch mich so erzogen“, erzählte ich. „Und ich bin ihr dafür sehr dankbar, vor allem in schweren Zeiten.“
    „Als Mutter 22 Jahre alt war, begann sich ihr Leben zu verändern: Ihr Bruder Xaver heiratete. Seine Frau Johanna war drei Jahre älter als Mutter“, berichtete Magdalena weiter. „Die beiden verstanden sich überhaupt nicht. Tante Johanna war eine ziemlich bestimmende Person, der auch ich lieber aus dem Weg ging.
    Zwei Jahre nach ihrer Heirat mit Onkel Xaver übernahm sie endgültig das Kommando auf dem Brunnerhof: Oma Maria hatte einen Schlaganfall erlitten.
    Onkel Xaver war zwar ein lieber Mensch, der von früh bis spät nur schuftete.
    Aber die Hosen hatte eindeutig Tante Johanna an. Mutter hat sich wohl immer im Weg gefühlt, zumindest hat sie es so erzählt. Deshalb hat sie es auch so genossen, als Bruno, ein Freund von Onkel Xaver, ihr damals den Hof machte.
    Bruno war das, was man zu jenen Zeiten eine gute Partie nannte: Von Beruf war er Bierbrauer. Die beiden heirateten 1958. Ich kam im selben Jahr zur Welt. Schon zwei Jahre später zogen wir nach München, weil Papa eine Stelle bei einer Brauerei angeboten worden war“, schilderte Magdalena und ich hing gebannt an ihren Lippen.
    „Ich kann mich erinnern, dass Mama mir erzählt hat, sie wäre nicht gern in die Stadt gezogen. Sie hat gesagt, sie wäre ein echter Landmensch. Das laute, stinkende Lagos hat sie auch nie gemocht. Sie hat sich schon immer im Harem wohler gefühlt als draußen“, konnte ich
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