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02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren

Titel: 02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
Autoren: Choga Regina Egbeme
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standen die geschnitzte Madonna und das Wasserbecken, an der Wand hing das Bild von den Alpen, von denen sie mir so oft erzählt hatte.
    „Ich hatte es mir anders ausgemalt“, sagte Magdalena nach einer Ewigkeit.
    „Hier drin sieht es gar nicht aus, wie ich es mir in einem Harem vorgestellt habe.“
    „Jede Frau durfte sich ihre Zimmer selbst einrichten und ihre persönlichen Sachen mitbringen“, versuchte ich zu erklären. „Das war Vaters Wunsch.“
    „Mutter wird es wohl gegen das Heimweh geholfen haben“, warf Magdalena ein. „Hat sie oft von Deutschland gesprochen?“
    „Manchmal. Sie mochte den Winter in Bayern, den vielen Schnee und den Wechsel der Jahreszeiten, den man hier nicht so deutlich spürt.“
    „Sie ging mit mir gern im Winter zum Skifahren“, erinnerte sich Magdalena, „da war sie wie ausgewechselt. Hat viel gelacht.“ Sie überlegte kurz. „Wir haben das nicht oft gemacht, glaube ich. Es ist schon so lange her. Die Erinnerung an die Kindheit meiner Tochter ist frischer als an die eigene.“
    „Meine Mutter hat eigentlich selten gelacht“, meinte ich und als mir mein Versprecher auffiel, verbesserte ich mich schnell: „Unsere Mutter, wollte ich sagen.“
    „Na ja, vielleicht hast du ja Recht“, gab Magdalena zu bedenken, „in gewisser Weise hatten wir wohl zwei verschiedene Mütter.“ Sie trat ans Fenster und klappte den unteren Teil hoch. Schweigend blickte sie hinaus und hörte der Musik zu, die heraufwehte. Dann wandte sie sich zu mir um. „Glaubst du, ihr Leben wäre anders verlaufen, wenn ich mitgekommen wäre nach Afrika?“
    „Warum hast du es nicht getan? Wollte sie es nicht?“
    „Nein, ich. Als meine Eltern nach Lagos gingen, war ich 16. Ich wollte unbedingt mein Abitur in dem Klosterinternat am Chiemsee machen, in das ich damals ging“, erklärte Magdalena.
    „Und, hast du es bereut? Ich meine, du warst doch dann ganz allein.“
    Meine Schwester wich der Frage aus: „Wir haben uns geschrieben. Anfangs. In den ersten Wochen.“
    Im Schlafzimmer stand das Foto von meiner Taufe auf dem Nachttisch, daneben das Margeritenbild. Magdalena nahm es in die Hand und setzte sich langsam aufs Bett, ganz in das Abbild ihrer Jugend vertieft. Wie oft hatte ich Mutter Löcher in den Bauch gefragt über das Mädchen auf dem Foto, das ich so gern einmal getroffen hätte. Und nicht selten wurde sie ganz traurig, weil sie meine Fragen nicht beantworten konnte. Weil sie nicht wusste, was ihre große Tochter tat, dachte und fühlte.
    „Mama hat dich sehr vermisst“, erzählte ich. „Oft meinte sie: „Ich weiß nicht einmal mehr, wie sich Magdalenas Haar anfühlt.“„
    „Sie hat mir auch gefehlt. Aber ich habe mich gegen dieses Gefühl gewehrt, mir eingeredet: Meine Eltern wollen sowieso nicht, dass ich bei ihnen in Afrika bin.
    Und später ..“ Magdalena brach ab, musterte das von Mama Ada perfekt gemachte Doppelbett: „Diese Bettwäsche! Die kenne ich! Da drin habe ich auch schon geschlafen. Unglaublich, dass es die noch gibt.“
    „Mama war sehr sparsam. Sie hat ihre Sachen immer in Ordnung gehalten.“
    „Ordentlich, ja, das war sie. Deswegen konnten wir das alle nicht verstehen, das mit ihr und deinem Vater. Es passte so gar nicht zu ihr.“ In ihrer Stimme war ein Unterton, dem ich aber nicht nachspüren wollte. Mein Vater hatte Magdalena die Mutter weggenommen. Mein Vater? Oder sogar ich selbst? Seit meiner Geburt stand ich schließlich zwischen Mutter und Magdalena .. Mir brannte die Frage auf der Zunge, ob sie am Ende glaubte, dass ich Mutter den Rückweg nach Deutschland versperrt hatte.
    Meine Schwester deutete auf das Bett. „Hat dein Vater in dem anderen Bett geschlafen?“
    „Nein, nie. Wenn Mutter ihn sehen durfte, dann ist sie hinüber in sein Haus gegangen.“
    „Er ist nie hierher gekommen?“, fragte Magdalena verwundert.
    Seltsam, darüber hatte ich nie nachgedacht. Vater hatte sich tatsächlich niemals in unseren Räumen blicken lassen. Was hätte er hier auch gesollt? Dies war Mutters Reich. Vater hatte sein eigenes Haus, und zwar das größte und neueste, am Rande des Compound gelegen, mit einem eigenen Eingang zur Straße hin.

    So konnte er Besucher empfangen, von denen der Harem nichts mitbekam.
    „Mutter hat geschrieben, dass dein Vater schon vor Jahren gestorben ist“, sagte sie dann. „Wieso gibt es den Harem denn immernoch?“
    „Weil Mutter es so wollte. Sie hat dafür gekämpft, damit die Frauen ihr Zuhause behalten konnten“,
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