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02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren

Titel: 02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
Autoren: Choga Regina Egbeme
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herüber bis auf die ungeteerten Straßen.
    Es war inzwischen fast zehn Uhr nachts. Im Compound, wie wir die große Anlage des Harems bezeichnen, feierten die Frauen. Ich hörte den vertrauten Klang der schweren Trommel, des heiteren Ballaphons (einem hölzernen Xylophon mit darunter aufgehängten Calebassen, die die Klangwellen verstärken), der dominanten Cowbell (einer Metallglocke, gegen die geschlagen wird) und der schwerelosen Flöte. Darunter mischte sich immer wieder mal eine Frauenstimme, der sich eine andere anschloss.
    Seit dem Mittag ging das schon so. Jetzt brannte in den Häusern und in den Gärten des Harems jede verfügbare Lampe, bis der Generator irgendwann gegen Morgen ausgeschaltet würde. Dann würden Kerosinlampen entzündet und das Fest ginge weiter. Für mich war es normal, den Abschied eines wertvollen Menschen von der Erde so zu feiern.
    Wir betraten den Hof und standen mitten im Gewimmel von wahrscheinlich hundert Menschen, die gekommen waren, um Mutter die letzte Ehre zu erweisen. Auf langen Tischen lagen
    köstliche Speisen bereit, die Luft duftete nach reifen Papayas und Ananas, nach Mangos und Bananen. Dicht vor dem Kochhaus befand sich ein Drehspieß, auf dem ein Lamm gegrillt wurde. Aus unzähligen Töpfen wehte das verlockende Aroma scharfer roter Sauce herüber.
    Meine Schwester und ich wurden von den Anwesenden herzlich aufgenommen.
    Teilweise völlig fremde Frauen umarmten und begrüßten Magdalena und nahmen uns in die Mitte. Sie alle hatten Mutter gekannt, nur hatte ich leider von den meisten die Namen vergessen. Aus allen Teilen von Lagos waren sie gekommen, manche sogar aus Städten, die über hundert Kilometer weit entfernt sind, wie Ibadan und Benin-City.
    „Ist denn hier niemand traurig, dass Mutter gestorben ist?“, fragte Magdalena verwirrt. „In Deutschland gedenkt man eines toten Menschen in Stille.“
    Das hatte ich nicht gewusst oder es war mir wieder entfallen. Denn so sehr es auch wehtut, einen geliebten Menschen verloren zu haben, so sehr freut man sich auch für ihn, dass er die Leiden dieses Lebens überwunden hat. Man hofft für ihn, dass sein nächstes Leben fröhlich und angenehm wird. Gleichzeitig bringt das laute Fest mit vielen Freunden zum Ausdruck, wie sehr der Tote geschätzt wurde. Wenn es nach dem Lärm ging, der Mutters Abschied begleitete, hatten sie alle sehr geliebt..
    „Warum sind alle weiß gekleidet?“, wollte Magdalena nun wissen. „In Deutschland tragen die Menschen Schwarz, wenn jemand gestorben ist.“ Meine fremde Schwester aus Deutschland war tatsächlich die einzige Frau, die dunkel gekleidet war. Sie trug einen grauen Pulli und einen passenden Rock, entsprechend der Mode in Deutschland. In diesen grauen Sachen stand sie mitten unter all den weiß gekleideten Frauen.
    „Weiß ist die Farbe der Wiederauferstehung“, gab ich wie selbstverständlich zurück.
    „Wiederauferstehung?“, wiederholte Magdalena nachdenklich, „das ist schön.
    Eigentlich besser als unser Schwarz.“
    In diesem Augenblick begannen drei Frauen mit sonoren Stimmen zu singen und auf große Trommeln zu schlagen. Es war ein altes Volkslied aus dem Osten unseres großen Landes. Die Frauen lachten und kicherten wie junge Mädchen.
    Nachdem das Lied zu Ende war, fragte Magdalena, was der Text bedeute, und ich erklärte, dass er die große Potenz eines mächtigen Mannes beschrieb, der viele Frauen hatte.
    Magdalena sah sich kritisch um. „Ist das hier der berüchtigte Harem?“
    „Es ist der Ort, an dem ich geboren wurde“, sagte ich. „Ich führe dich gern herum, wenn du magst.“
    Sie nickte begeistert und so stellten wir Magdalenas Koffer vor jenem Haus ab, in dem sich die Räume meiner Mutter befanden, und begannen den ausgedehnten Rundgang durch die vielen miteinander verbundenen Höfe, die von mehreren, unterschiedlich großen Häusern umstanden waren. Zwölf davon waren reine Wohnhäuser, in denen Vaters Frauen wohnten, einige davon modern aus Stein gebaut, mit mehreren Stockwerken übereinander. Dazu zählte auch das Kinderhaus, in dem ich mehrere Jahre meiner Kindheit und mehrere Monate meines „Teenager“-Lebens verbrachte.
    Interessiert betrachtete Magdalena die älteren Häuser, die noch aus einer altertümlichen Konstruktion aus Holzrahmen und Lehm bestanden und weiß gestrichen waren. Ich erklärte meiner erstaunten Schwester, dass sie jedes Jahr repariert werden mussten, aber trotzdem ihren Platz behielten, weil sie als Erste errichtet
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