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02 - Der 'Mann in Weiß'

02 - Der 'Mann in Weiß'

Titel: 02 - Der 'Mann in Weiß'
Autoren: Christian Schwarz
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    Tom wäre wohl seiner ganzen Habseligkeiten inklusive Kreditkarte beraubt worden, hätte nicht plötzlich ein Indio eingegriffen und die Räuber im Alleingang in die Flucht geschlagen; in einer Art und Weise, die sogar Jackie Chan vor Neid hätte erblassen lassen.
    Tom war sicher, dass er den Indio in den letzten Tagen bereits zweimal in seiner Nähe gesehen hatte: einmal auf dem Flughafen von Cancún und dann in Muna. Hatte er also einen geheimnisvollen Helfer, der seine Identität und damit wohl auch seine Motive geheim halten wollte? Denn er war geflüchtet, bevor Tom mit ihm sprechen konnte.
    Auf jeden Fall hatte ihm der Überfall den Ring beschert. Nachdem alle geflohen waren, hatte er ihn, an einer Schnur hängend, im Rinnstein gefunden. Nun stellte sich die Frage, ob er einem Bandido oder aber dem Indio abhandengekommen war.
    Wenn er dir gehört, mein geheimnisvoller Freund, werden wir uns wohl bald wiedersehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du so einfach auf den Ring verzichten wirst. Vielleicht ergibt sich dann ja die Gelegenheit für ein kleines Gespräch…
    Toms Gedanken wanderten weiter. Noch immer hatte er diesen fürchterlichen Albtraum vor Augen. Er hatte sich realer angefühlt als jeder bisherige in seinem Leben.
    Tom wusste eine Menge über die Maya. Und er hatte sich immer wieder gefragt, wie sich die blau bemalten Menschenopfer auf den Pyramiden kurz vor ihrem Tod gefühlt haben mussten.
    »So genau hätte ich es aber nun auch nicht wissen müssen«, murmelte er, während er den Schaum aus seinem Blondschopf spülte. Hing dieser intensive Traum womöglich doch irgendwie mit dem Ring zusammen? War er unter Umständen mehr als ein bloßer Funkempfänger?
    Dass Tom von den Maya träumte, ließ sich leicht erklären, denn das Geheimnis, dem er nachjagte, hing mit diesem Volk zusammen. Verstärkte der Ring seine Träume? Tom stellte fest, dass ihn das Artefakt immer stärker zu interessieren begann.
    Der Archäologe stieg aus der Dusche und trocknete sich ab. Er wechselte die Kleider, trug nun ein schwarzrot kariertes Holzfällerhemd und Jeans. Draußen brach bereits der Tag an.
    Tom nahm den Ring erneut zur Hand, setzte sich auf die Couch an der Wand und betrachtete ihn, zwischen Zeigefinger und Daumen haltend, eingehend. Der Ring wirkte recht klobig: gut einen Zentimeter breit und dreigeteilt. Die beiden Randstücke schienen aus purem Gold zu bestehen. Aber sie fühlten sich nicht so an. Aus welchem tiefblau schimmernden Material der Mittelteil bestand, erschloss sich Tom erst recht nicht, denn es wirkte völlig fremdartig.
    Nun drehte er den Mittelteil wieder. Sofort begann der Ring in allen denkbaren Farben zu irisieren. Neben Tom bewegte sich etwas. Erschrocken fuhr er herum. Dabei ließ er den Ring fallen. Verblüfft starrte er auf die Wand. Schemenhaft blass, ein wenig verschwommen, konnte er Konturen wahrnehmen: einen Mann (im grauen Anzug?), der sich bewegte, dahinter schienen Hochhausfassaden zu leuchten.
    Deutlich stand plötzlich die Stimme im Raum. Tom glaubte sie schon gehört zu haben.
    »David Letterman«, sagte er ungläubig.
    Tatsächlich. Der amerikanische Entertainer machte Witze über Ex-Gouverneur Schwarzenegger, der sich mit Unterhaltsforderungen für einen weiteren unehelichen Sohn herumschlagen musste. Das Publikum brüllte vor Vergnügen.
    Es war bereits zu hell. Tom zog die Vorhänge zu. Sofort wurde es dunkler im Zimmer und das Bild wesentlich deutlicher.
    Tom hob den Ring wieder auf, ohne etwas an der Einstellung zu verändern.
    Hab ich's doch gewusst. Der Ring ist ein Multitalent! Was kann er sonst noch alles, außer Funk und TV-Sendungen zu empfangen?
    Lettermans Witze waren gut und so schaute Tom noch eine Weile zu. Schließlich drehte er den Ring ein Stück nach links und schickte die »Late Night Show« damit ins Off.
    Ob man den Empfang wohl gezielt steuern kann?
    Zuerst war es der Funkverkehr des Flughafens von Mérida gewesen. Danach ein Radio- und jetzt sogar ein US-amerikanisches Fernsehprogramm. Dabei musste es sich um eine Wiederholung handeln, denn Letterman kam immer um Mitternacht.
    Wie kriege ich genau das rein, was ich will? Momentan ist das alles ja noch ein bisschen willkürlich…
    Tom versuchte sich erneut in die Letterman-Show zu zappen, indem er den Mittelteil auf die letzte Stellung bewegte, aber es klappte nicht. Er bekam Trucker-CB-Funk herein, danach den Polizeifunk, einen wahrscheinlich chinesischen Radiosender ‒ genau konnte er
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