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0192 - Vorm Sterben einen Drink

0192 - Vorm Sterben einen Drink

Titel: 0192 - Vorm Sterben einen Drink
Autoren: Vorm Sterben einen Drink
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Ich hatte mich nicht getäuscht.
    Das war die Tür aus dicken Bohlen mit dem Guckloch in der Mitte, die ich in Erinnerung hatte. Aber sie war verschlossen. Es gab ein schauderhaftes Quietschen, als ich die Tür nach innen drückte. Mir stiegen die Haare zu Berge, als dieser langgezogene schrille Laut durch die tiefe Stille hallte.
    Aber offenbar waren sie ausgeflogen.
    Kein Gangster ist volle 24 Stunden am Tage Gangster, sowenig wie ein Polizist unaufhörlich im Dienst ist. Dazwischen gibt es Stunden da sind sie auf beiden Seiten müde Männer, die von einer knurrenden Frau empfangen werden, stolze Familienväter, die ihre Sprößlinge streicheln oder amüsierbedürftige Junggesellen, die Bummeln gehen.
    Die drohende Gefahr, die aus der Dunkelheit plötzlich auf einen zukommen kann, wird allmählich zu einer Sache, an die man sich gewöhnt. Das ist das Gefährlichste an jeder Gefahr: die Gewöhnung. Ehe man sich’s versieht, ist’s passiert. Mir ging es in dieser Nacht so.
    Ich knipste die Taschenlampe an und marschierte den langen Gang hindurch, der rechts und links von grobbehauenen Bohlen gestützt wurde. In ziemlich gleichmäßigen Abständen hing eine staubbedeckte Glühbirne am nackten Kabel von der Decke herab, aber ich hatte nirgendwo einen Lichtschalter gesehen.
    Bis hierher war ich damals mit dem Sergeant gekommen. Ich geriet erneut an eine Tür. Auch sie war nicht verschlossen. Ich drückte sie auf und geriet in die kleine Kabine des Fahrstuhls. Mit der Taschenlampe leuchtete ich rechts und links die Wände ab. Es gab einen einzigen Knopf. Was wollte ich schon anders machen, als ihn niederzudrücken?
    Ich grinste zufrieden, als sich der Fahrstuhl schnurrend nach unten in Bewegung setzte. Die Gangster hatten ihn wohl wieder in Betrieb gesetzt, als sie sich diesen verfallenen Speicher als Fuchsbau einrichteten. Es ging ungefähr zwei Stockwerke hinab. Unten öffnete sich ein Gang, der das Ebenbild des Flurs nach oben war. Und hier fing das Reich an, interessant zu werden, denn hier gab es Türen in Hülle und Fülle.
    Der Reihe nach knöpfte ich mir die Buden vor. Zu meiner Überraschung fand ich sechs Räume, in denen je zwei Klappbetten standen. Auf den Betten lagen wollene Decken. Auf den Tischen standen halbvolle Aschenbecher. In den Schränken, die nicht verschlossen waren, hingen Anzüge, Mäntel und Pullover. Fotos klebten an den Wänden. Handtücher lagen herum. Schuhe lugten unter den Betten hervor. Eine kleine Gangster-Kaserne. Nur gab es hier keinen Spieß, der für Sauberkeit sorgte.
    Irgendwann geriet ich auch in die Arena. Es war ein großer tanzsaalartiger Raum, der kreisrund war wie ein altes Theater, das die Griechen vor mehr als 2000 Jahren gebaut hatten. Die äußersten Ränge waren die höchsten, und zur Mitte hin senkte sich der Raum terrassenweise hinab zur Arena. Sie mochte einen Durchmesser von acht Metern haben, war mit Sägespänen ausgestreut und stank nach Blut. Federn lagen herum.
    Hier veranstaltete der Gangster seine nächtlichen Hahnenkämpfe, und er ließ jeden Zuschauer zwei Dollar dafür bezahlen. Es mochten 200 Leute hineinpassen, und wenn die Vorstellung in einer Nacht nur zweimal stattfand, verdiente der Bursche 800 Dollar — unversteuert selbstverständlich. Die City Police hatte vertrauliche Informationen darüber.
    Bis jetzt hatte ich nichts entdeckt, das ich nicht erwartet hatte. Wo war die Bude, die dem Boß gehörte?
    Ich steckte mir eine Zigarette an, um den widerlichen Blutgeruch zu überdecken, hockte mich auf die oberste Zuschauerbank und entspannte meine Muskeln.
    Es war 2.54 Uhr, und ich war entschlossen weiterzusuchen. Irgendwo mußte schließlich auch der Boß der Lasterhöhle sein Quartier haben. Ich hatte diesem Mann schon einmal gegenübergestanden, und ich wußte, daß er einer der großen Bosse war.
    Wieder verfiel ich ins Grübeln. Ich rief mir das intelligente Gesicht dieses Mannes ins Gedächtnis zurück. Der ganze Kerl war aus Eis. Am meisten seine Augen. Sie blickten so glanz- und gefühllos wie Glasaugen. Und genauso leer und unpersönlich. Er sprach immer leise, und jede seiner katzenhaften Bewegungen schien nur angedeutet zu sein.
    Beim Nachdenken hatte ich kein Licht gebraucht. Also hatte ich die Taschenlampe zurück in die Manteltasche geschoben. Der 38er saß unter dem Jacket in der Schulterhalfter. Nur die Zigarette hielt ich in der Hand.
    Als ich sie fallen ließ und austrat, da fuhr es wie ein elektrischer Schlag durch meinen
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