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0184 - Für jedes Grinsen eine Kugel

0184 - Für jedes Grinsen eine Kugel

Titel: 0184 - Für jedes Grinsen eine Kugel
Autoren: Für jedes Grinsen eine Kugel
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die Whisky-Bläser zur Seite und griff nach den Tassen Grinsend hielt er sie der Reihe nach ins Licht und sortierte zwei aus, von denen nicht einmal er selbst wußte, wodurch sie sich von den anderen unterschieden.
    Er bediente die Kaffeemaschine. Über die Schulter fragte er zurück:
    »Sind Sie aus New York, Mister?«
    Offensichtlich meinte er den neuen Polizisten. Norton nickte und sagte:
    »Ja, wenigstens aus der Nähe. Ich bin oben in Yonkers geboren, ‘ne Zeitlang haben meine Eltern drüben in Queens gelebt. Jetzt wohnen sie in Brooklyn.«
    »Brooklyn!« seufzte Lines. »Da bin ich geboren. Ganz im Süden, direkt an der Gravesend Bay. Im Sommer haben wir immer am Strand gespielt. Da war ja immer was los! Wenn man dagegen bedenkt, wie Jungens hier in der Gegend aufwachsen! Häuser, Häuser, Häuser. Sie sind ja zu faul, mal zwei Stunden zu Fuß zu gehen, um mal was anderes zu sehen. Nee, die Zeiten haben sich geändert…«
    »Tatsächlich«, stimmte Bastiani zu und kostete seinen Kaffee. »Früher konnte ein richtiger Gangster wenigstens noch mit einiger Aussicht auf Erfolg die Cops bestechen und seine dreckigen Geschäfte abwickeln, ohne allzuviel Angst vor dem nächsten Revierpolizisten haben zu müssen. Heutzutage klappt nicht einmal die Bestechung mehr. Ja, ja, es sind schon Zeiten!«
    Zu diesem Thema enthielt sich Lines jeder Äußerung. Ein paar Minuten später hatten die beiden Uniformierten ihren Kaffee getrunken und verließen das Lokal. Der Kellner sah ihnen giftig nach und brummte:
    »Wenn ich diesen aufgeblasenen Bullen bloß mal eins auswischen könnte! Ich kann dieses pausbäckige Athletenvolk ncht ausstehen!«
    Lines putzte keine Gläser mehr. Er hatte seine behaarten, kräftigen Unterarme auf die Theke gestützt und sah nachdenklich zur Tür, die sich hinter den Polizisten geschlossen hatte.
    »Abwarten«, sagle er leise. »Vielleicht kann ich dir mal eine Gelegenheit schaffen, wenn du so scharf darauf bist, den Bullen eins auszuwischen…«
    ***
    Die Tage vergingen. Norton gewöhnte sich an den Dienstplan. Im Gegensatz zu anderen Revieren, wo auf zwölf Standen Dienst regelmäßig sechsunddreißig Stunden Freizeit folgten, wurde von Captain Bruce an dem uralten Dienstplan festgehalten, den sie seinerzeit hatten, als Al Capone noch durch die Straßen Chikagos spazierte und nichts weiter als der kleine Vormann eines kleinen Gangsterchefs war. Damals gab es abwechselnd eine Woche Tag- und die andere Woche Nachtdienst. Beide Systeme haben für die Betroffenen Vor-und Nachteile, aber der größte Nachteil des von Captain Bruce befolgten älteren Systems, bestand darin, daß er dauernd komplizierte Überlegungen anstellen mußte, wie er die Übergänge vom Tag-zum Nachtdienst arrangierte, ohne daß ein Beamter ganze vierundzwanzig Stunden hätte hintereinander Dienst machen müssen.
    Der Captain ist der Gott des Reviers, lautet die interne Regel für den Polizeibeamten, Absatz eins, Ziffer eins. Was der Captain sagt, ist immer richtig, auch wenn es falsch ist, lautet die zweite Regel. Und was du tust, ist immer falsch, auch wenn es richtig ist, heißt die letzte dieser drei weisen Erkenntnisse. Norton bekam sie ebenso zu spüren wie jeder andere, und er gewöhnte sich ebenso daran wie jeder andere. Er ging seine Streifen, tätigte die vorgeschriebenen Kontrollanrufe beim Revier und — langweilte sich. Es passierte ihm nicht genug, wie keinem Anfänger der Welt je in seinem Beruf genug passieren wird.
    Das änderte sich erst an einem Mittwochnachmittag. Norton bummelte seine vorgeschriebene Runde. Das Wetter war sehr freundlich und erinnerte an den Sommer, der viel zu warm gewesen war. Vom wolkenlosen Himmel strahlte eine blitzblanke Sonne, die Frauen hatten die schon eingemotteten Sommerkleider wieder aus den Schränken geholt, und die meisten Männer trugen kein Jackett, hatten aber dafür hochgerollte Hemdsärmel. Hosenträger in allen Farben des Regenbogens spannten sich über mehr oder minder umfangreiche Leiber.
    Ray Norton bummelte die Straße entlang und musterte den Verkehr mit dem halb gelangweilten, halb interessierten Blick des Mannes, dem dieses Bild eine Alltäglichkeit ist.
    Als er an einem Torweg vorbeikam, hörte er ein gellendes Pfeifen. Füße trappelten, jemand rief halblaut Achtung, der Cop!‘ und gleich darauf war es still.
    Norton blieb stehen, drehte den Rücken zum Torweg und überlegte. Genau gegenüber lag das Schaufenster einer Buchhandlung, es spiegelte, und Norton
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