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0183 - Der Mann, der das Grauen erbte

0183 - Der Mann, der das Grauen erbte

Titel: 0183 - Der Mann, der das Grauen erbte
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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glich einem ins riesenhafte vergrößerten Regenwurm: Ein langer, massiger, vielfach gegliederter Körper, der im Licht des Hexagons dunkelgrün schimmerte und von einer Art - absurd! - trockenem Schleim überzogen zu sein schien. Dort, wo Celham den Kopf erwartet hatte, befand sich ein Ring aus schenkelstarken, peitschenden Tentakeln, die scheinbar wütend gegen die unsichtbare Fessel trommelten, die das Wesen gefangenhielten. Celham wußte nicht, ob das Ding fähig war, Laute auszustoßen; aber er wäre eher erleichtert gewesen, wenn das Wesen geschrien oder getobt hätte. Die lautlose Wut, mit der es sich in dem für seinen Körper viel zu kleinen Gefängnis wand, war auf ihre Art viel schrecklicher als alles andere.
    Mit großer Willensanstrengung gelang es ihm, einen Finger zu heben, dann noch einen, schließlich die ganze Hand.
    Celham lächelte überlegen. Er hatte gewußt, daß er den Kampf gewinnen würde. Das Ungeheuer besaß keine Macht über ihn.
    Mit einem wütenden Ruck warf er die Lähmung ab, warf den Kopf in den Nacken und begann laut und ausdauernd zu lachen. Er hatte gesiegt! Gesiegt! Gesiegt! Das Monster unterstand seinem Willen, seinem Befehl, er war sein Herr. Seine Träume, sein jahrzehntelanges zähes Ringen, hatten Erfolg gehabt. Jetzt gab es nichts mehr, was ihn noch aufhalten konnte.
    Er stand auf, ging um den Schreibtisch herum und näherte sich dem riesigen Körper des Ungeheurs bis auf wenige Zentimeter. Er konnte den Schwefelgestank wahrnehmen, den die Erscheinung ausströmte, die intensive Hitze, die selbst durch die unsichtbare Barriere des Hexagons zu ihm drang, und er registrierte fast amüsiert, wie das Ding erneut mit geistiger Macht nach ihm griff, um seinen Willen zu brechen.
    »Nein«, flüsterte erleise. »Nein, Shudde-mell. Du kannst mich nicht bezwingen.« In seiner Stimme flackerte der beginnende Wahnsinn. Aber Celham war schon viel zu weit gegangen, um jetzt noch zurück zu können. »Ich bin dein Herr«, sagte er leise. »Ich! Und ich werde dir befehlen, was du tun mußt. Mit deiner Hilfe werde ich diese Welt beherrschen, Shudde-mell. Mit deiner Hilfe.«
    Er trat einen Schritt zurück, wischte sich mit einer fahrigen Bewegung den Schweiß von der Stirn und öffnete den obersten Knopf seiner Jacke. »Ich würde gerne wissen, ob du mich verstehst«, sagt er. In seinen Augen war ein irres Leuchten, und seine Hände führten kleine, nervöse Bewegungen aus. »Wir beide werden die Welt erobern, du und ich!« kicherte er.
    »Hast du nicht immer davon geträumt, Shudde-mell?« fragte er.
    Die Erscheinung reagierte auf seine Worte mit einem wütenden Schlagen der Tentakel, aber die unsichtbare Barriere hielt.
    Celham lachte laut auf. »Streng dich ruhig an, Shudde-mell«, sagte er. »Streng dich ruhig an. Umso eher wirst du einsehen, daß du machtlos bist. Hast du nicht immer davon geträumt, diese Welt zu beherrschen? Du wirst es tun, beinahe jedenfalls. Es wird nur noch ein Wesen geben, das über dir steht: Mich. Und weißt du, was das lustige an der ganzen Sache ist, Shudde-mell?« Er lachte wieder, ein hohes, schrilles Geräusch, das von den Wänden zurückprallte und die Gläser zum Klirren brachte. »Du, ausgerechnet du, der Ingebriff des Bösen, wirst dazu beitragen, daß diese Welt so wird, wie die Menchen sie sich erträumen«, sagte er kichernd. »Ich bin nicht verrückt, wenn du das glaubst. Oh nein! Ich werde diese Welt befreien. Ich werde Regierungen und Militär abschaffen, werde die Menschen befreien. Es wird keine Unterdrückung und keine Not mehr geben, keinen Hunger und keine Kriege. Die Menschen werden frei sein, zu tun und zu lassen, was sie wollen. Zu leben, wo sie wollen, zu sagen, was sie denken. Es wird keine Angst mehr geben, keine Beherrscher und keine Beherrschten. Nur noch die Freiheit. Und alles das werden wir bewirken, Shudde-mell, du und ich. Und niemand wird etwas davon erfahren. Wir werden aus dem Verborgenen heraus operieren, wir zwei. Es wird lange dauern, aber wir haben Zeit. Alle Zeit dieser Welt.«
    Als hätte das Wesen die Worte verstanden, bäumte es sich erneut auf, warf die ganze ungeheure Kraft seines zehn Meter langen Körpers gegen die Barriere aus Kreidestrichen, die seine dömonisehe Macht gefangen hielt, und prallte zurück.
    Celham ging langsam zu seinem Schreibtisch zurück, öffnete eine Schublade und zog eine Flasche Cognac hervor. »Die habe ich mir aufgehoben«, sagte er leise. »Dir zu Ehren, Shudde-mell. Zu Ehren dieses
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