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0128 - Der Seelenwald

0128 - Der Seelenwald

Titel: 0128 - Der Seelenwald
Autoren: Martin Eisele
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erzählt.
    »Warnen? Uff, da bin ich gar nicht drauf gekommen.« Er hob die schmächtigen Schultern. »Der Suff… Da denkt man nicht mehr daran, den Helden zu spielen.«
    »Wenigstens sind Sie ehrlich«, sagte ich und rannte los.
    Die Kerle, die Glenda entführt hatten, hatten bereits einen zu großen Vorsprung. Ob mit oder ohne Rolls Royce. Nur daran dachte ich. Und daß ich es trotzdem irgendwie schaffen mußte, sie aufzuspüren. So schnell wie möglich.
    Aber das war einfacher gesagt als getan.
    Von den Burschen fehlte jede Spur. Die schmale Straße lag dunkel und leblos vor mir. Keine Spaziergänger. Nichts. Dafür aber regnete es jetzt stärker. Meine Kleider klebten mir auf der Haut.
    Ich spurtete die Gasse entlang, so schnell ich konnte. Es war nicht schnell genug.
    Jeden einzelnen Knochen spürte ich in meinem Leib. Glühendheiße Schauer rieselten in raschem Wechsel mit eisigkalten über mein Rückgrat. Und diesmal nicht Glendas Nähe wegen. Leider. Ich fühlte mich, als wäre ich durch einen Fleischwolf gedreht worden.
    Ich wechselte auf die andere Straßenseite. Auf der langen Reihe der an den Gehsteigen parkenden Wagen glitzerten Regentropfen.
    Aus einem Gully quollen Dampfwolken.
    Dann hatte ich meinen Bentley erreicht. Ich schloß auf, ließ mich hineinfallen und startete. Der Motor kam sofort. Ich fuhr los.
    Einen Augenblick lang spielte ich mit dem Gedanken, die Kollegen vom Yard einzuspannen. Ringfahndung. Verkehrskontrolle. Ausschau nach einem Rolls Royce mit fünf Männern und einer jungen Frau. Glenda Perkins.
    Ich ließ es bleiben.
    Die Lichtkegel schnitten in die neblige Dunkelheit. Was jetzt? fragte ich mich. Zugegeben, momentan war ich mit meinem Latein ziemlich am Ende.
    Meine Finger trommelten ungeduldig auf das Lenkrad. An der nächsten Kreuzung mußte ich halten. Hier pulsierte wieder das Leben. Ich tippte auf die Bremse und ließ den Verkehr an mir vorbeifließen. Richtung Piccadilly Circus jaulte eine Sirene los.
    Ich fuhr an, blinkte und bog rechts ab. Vielleicht steckten die Burschen noch irgendwo im Gewirr der engen Gassen und Seitenstraßen. Vielleicht hatte ich ausnahmsweise einmal mehr Glück als Verstand.
    In Sohos Herzen herrschte heute jedenfalls kaum Verkehr. Kein Wunder, wenn sich die Leute ausnahmslos in den Kneipen, Strip-Bars und Peep-Shows aufhielten, dachte ich sarkastisch.
    Und dann dachte ich schon wieder an Glenda.
    Was mochten die Kerle mit ihr vorhaben? Warum ausgerechnet sie? Um mich mit ihr zu erpressen? Aber das war Unsinn. Schließlich hatten sie mich am Boden. Es wäre ihnen ein Leichtes gewesen, mich für alle Zeiten unter die Erde zu bringen.
    Immer vorausgesetzt, daß die Vermummten mit den Dämonen der Schwarzen Familie Asmodis zu schaffen hatten.
    Ich wußte nicht so recht, ob das der Fall war.
    Aber – was wußte ich überhaupt von ihnen? Nichts. Nur daß sie verdammte rote Froschaugen hatten, in der Dunkelheit sehen und harte Schläge austeilen konnten. In der Pflichtkür jedenfalls erinnerten sie mich an Rocker.
    Ich fuhr langsam. Aufmerksam ließ ich meine Blicke schweifen.
    Und dabei wußte ich nicht einmal definitiv, wonach ich Ausschau hielt. Nach einem Rolls?
    Die nächsten 20 Minuten war ich vollauf damit beschäftigt, kreuz und quer durch Soho zu kurven. Mit jeder Sekunde, die verging, wurde ich nervöser.
    Wenn Glenda wirklich entführt worden war, weil irgend eine verdammte Bande für irgend ein verdammtes Spiel ein Mädchen brauchte…
    Einer der Vermummten hatte von einer Priesterin gesprochen.
    Eine Sekte?
    Ich würgte den Gedanken ab und biß die Zähne zusammen. Mein Gesicht verkantete sich. Die Narbe auf meiner rechten Wange brannte.
    Irgendwann geriet ich in eine Gegend, in der die Stadtlandschaft noch lädierter, noch dreckiger, menschenunwürdiger und ausgestorbener war als in jener Seitenstraße in der Nähe von Jonnies Restaurant.
    Umgestürzte Mülltonnen und Dreckhaufen auf den Gehsteigen.
    Zeitungsfetzen in der Gosse. Und nirgends eine Menschenseele zu sehen. In diesem Viertel schien das Ende der Zeiten angebrochen zu sein. Als Jagdgrund war das nicht einmal mehr für das lichtscheue Gesindel der untersten Kategorie interessant.
    Trotzdem stach mir plötzlich ein Eissplitter ins Herz! Meine Nackenhärchen richteten sich auf.
    Ein paar Yards voraus. Linkerhand.
    Das paßte einfach nicht!
    Ein Trümmergrundstück. Ziemlich weit im Hintergrund, nur als gewaltiger, bizarrer Schemen vor dem wolkenverhangenen Nachthimmel zu erkennen,
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