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011 - Sanatorium der Toten

011 - Sanatorium der Toten

Titel: 011 - Sanatorium der Toten
Autoren: Larry Brent
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Geist, ruhelos und
gefährlich, spukt weiter in den Gemäuern, und sein Verlangen nach Liebe und
Schönheit ist bis auf den heutigen Tag nicht ausgelöscht.
    Was verbarg
sich wirklich hinter diesem abergläubischen Geschwätz?
    Chagan hatte
während seiner Dienstzeit mehr als einmal die Erfahrung gemacht, daß die
Landbevölkerung aus verschiedenen Gründen log, wenn es um die Aufklärung eines
Verbrechens ging. Er kannte die Menschen hier, er war mit ihnen groß geworden,
und doch blieben sie ihm ein Rätsel. Die Landschaft und die Geschichte hatten
die Bewohner von Niort, Coulon und der Sumpf- und Moorlandschaft Poitevin auf
eigensinnige Weise geprägt.
    Er rauchte
gedankenverloren seine Zigarre, während er sich in die Richtung des Sumpfs
bewegte, der wie ein natürlicher Schutzwall die westliche Front des Gemäuers
umschloß. Dahinter, auf der anderen Seite, rauschte der Sevre Niortaise. Der
breite Feldweg dorthin zweigte in zwei verschiedene Richtungen ab. Nach links
führte er direkt auf einen Bauernhof, der sich hinter einem hügeligen Feld
zeigte, nach rechts kam man auf einen schmalen Weg, der auf das Südportal des
burgähnlichen Schlupfwinkels des Marquis de Noir führte. Chagan wollte sich
gerade nach links wenden, als er das Traktorengeräusch vernahm. Er wandte den Blick.
Von rechts näherte sich ein roter Traktor, an den ein Wagen gekoppelt war.
Hinter dem Steuer des langsam auf dem holprigen Pfad rollenden Gefährts saß
Louise, eine alte Bauersfrau, deren Gesicht wie zerknittertes Pergament aussah.
    Louise war
siebzig, doch man hätte sie ebensogut auf neunzig schätzen können. Sie hatte
grobe, verarbeitete Hände, die zupacken konnten und an harte Feldarbeit gewöhnt
waren.
    Chagan
erinnerte sich daran, daß Louise vor dreißig Jahren den selben Weg schon mit
dem Pferdegespann gefahren war, um den Männern auf den Äckern, die sich weit
nach Süden ausdehnten und immer wieder von großen Sumpfgebieten unterbrochen
waren, das Mittagessen zu bringen.
    Auf dem Wagen
hinter dem Traktor standen einige Körbe und Speisebehälter.
    Louise trug
ein ausgewaschenes blaues Kleid und ein blaues Kopftuch mit weißen Punkten.
    Als sie den
einsamen Spaziergänger auf dem Feldweg erblickte, hielt sie an und schaltete
den Motor ab.
    »Der gute
alte Chagan«, sagte sie mit rauher Stimme, während sie wie ein Mann die
schwielige Rechte herausstreckte, um Chagan die Hand zu geben. »Immer noch auf
der Suche nach Spuren? Wie lange willst du das noch fortsetzen, hm?«
    »Bis ich was
finde, Louise«, antwortete der ehemalige Kommissar heiter.
    Louise schlug
mit einer theatralischen Geste die Hände über ihrem grauen Haupt zusammen.
    »Das kann bis
zum jüngsten Tag dauern, mein Lieber. Ich denke, man hat dich im letzten Jahr
pensioniert?«
    »Was vorher
Beruf war, ist jetzt Hobby«, antwortete Chagan.
    »Du hast
einen Tick, das ist alles.« Die Stimme der alten Louise klang mit einem Male
unfreundlich. »Man soll die Toten in Ruhe lassen. Es bringt Unglück, wenn man
sich allzusehr mit ihnen beschäftigt, laß dir das gesagt sein! Erst hast du
allen Bauern im Umkreis von fünfzig Kilometern Löcher in den Bauch gefragt, und
als dir das nicht weiterhalf, da…«
    Chagan
unterbrach sie, indem er abwinkte. »Ihr habt euch keine Löcher in den Bauch
fragen lassen, Louise«, erwiderte er.
    Die Alte
schob ihre Lippen nach vorn, und ihr zahnloser Mund sah aus wie eine bewegliche
Gummimasse. »Ihr habt alles durchsucht, ihr habt nichts gefunden. Wenn das
Mädchen nicht im Sumpf umgekommen ist, dann, dann hat sie der Marquis geholt!«
Bei den letzten Worten hatte sie die Stimme unwillkürlich gesenkt. Die Alte
wandte den Blick und sie sah zu dem verwitterten Gemäuer hinter dem Flachmoor
hinüber. Dickicht und dichtes Buschwerk umrankten die alten Steine. Düster und
verlassen lag die Ruine da und wirkte selbst im Sonnenlicht ein wenig
unheimlich.
    Louise
schüttelte den Kopf. »Du gibst keine Ruhe, so lange nicht, bis du selbst Unheil
auf dich lädst, Chagan. Oder aber, und das ist vielleicht noch wahrscheinlicher…«
Sie streckte ihre Rechte aus, und der Ärmel des blauen, ausgewaschenen Kleides
rutschte in die Höhe, daß ihre braune, gegerbte, sommersprossige Haut zu sehen
war. »… du landest hinten, bei Mineau, in der Klapsmühle!«
    Chagan folgte
mit dem Blick der ausgestreckten Hand. Die Luft war so klar, daß man
kilometerweit über das flache Land blicken konnte. Hinter einer dichten
Baumreihe waren die hellen
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