Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
011 - Sanatorium der Toten

011 - Sanatorium der Toten

Titel: 011 - Sanatorium der Toten
Autoren: Larry Brent
Vom Netzwerk:
Türen auf dieser Etage
mündeten.
    Sie kannte
jedes Möbelstück, jede Vase in der Ecke, jedes Bild an der Wand. Die großen
Fenster waren zur Hälfte mit blauen Vorhängen zugezogen. Der Morgen dämmerte,
und das erste Tageslicht fiel schwach durch die Fenster herein.
    Am ganzen
Körper zitternd, rannte Angela die breiten, mit rotem Teppich ausgelegten
Stufen hinab.
    Sie wagte
nicht, sich umzudrehen. Sie wußte, daß die Tür zu ihrem Zimmer weit offenstand,
und sie hatte das Gefühl, daß in diesem schwarzen, unheimlichen Raum, in dem
sie aufgewacht war, etwas Furchtbares auf sie lauerte. Angst und Entsetzen
trieben sie voran, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Noch immer sah sie
den Sarg vor sich, das schwarze Zimmer und die einsame, flackernde Kerze…
    Angela
schluchzte, weinte, schrie, riß Türen auf und stürzte durch Zimmer, als wäre
der Teufel hinter ihr her. Sie kam in ihr Arbeitszimmer, sah den fein
säuberlich aufgeräumten Schreibtisch, die aufeinandergeschichteten
Manuskriptblätter, das ledergebundene Notizbuch und den Computer. Sie nahm eine
der ausgedruckten Seiten in die Hand. Sie hatte am dritten Auftritt des zweiten
Aktes gearbeitet. Die große Liebesszene. Sie erkannte jedes Wort, das sie
geschrieben hatte, und für den Bruchteil eines Augenblicks löste sich die
ungeheure Spannung, unter der sie stand und litt. Sie hatte doch nicht den
Verstand verloren. Aber sogleich kam ihr das Geschehen im oberen Stockwerk in
den Sinn.
    Sie litt
unter Halluzinationen. Das war nicht normal. Sie ertappte sich dabei, daß sie
nach dem Telefonhörer griff, um die Nummer der Polizei in Niort zu wählen. Doch
als würde sie ein elektrischer Schlag durchfahren, ließ sie den Hörer plötzlich
mit einem gellenden Aufschrei fallen. Sie hörte kein Freizeichen, und sie sah,
daß die Kabelverbindung zur Anschlußdose nicht mehr bestand. Sie hielt einen
Hörer ohne Kabel in der Hand!
    Angela wich
an die Tür zurück, riß sie auf und rannte davon.
    Sie war
derart verstört, daß sie nicht bemerkte, wohin sie ihre Schritte lenkte, wie
sie die Treppe nach oben stieg. Dann sah sie die offenstehende Tür zu ihrem
Schlafzimmer wieder, ahnte mehr die düstere Umgebung, als daß sie sie sah und
stürzte zitternd und schluchzend davon.
    Die Haare
hingen ihr wirr ins Gesicht. Angela schien während der letzten Viertelstunde um
Jahre gealtert zu sein. Ihre Lippen waren schmal und hart geworden, und die
Nasenfalten hatten sich tief in das bleiche Gesicht gegraben.
    Die Augen
glühten wie im Fieberwahn, ihr ganzer Körper war heiß, als stünde sie unter
einem alles verzehrenden Feuer.
    Sie rannte in
den großen, sauber angelegten Park hinaus. Eine Anlage, wie sie eher zu einem
Schloß als zu einem Herrensitz gehört hätte. Zwischen kleinen flachen
Rasenflächen führten schmale, helle Sandwege hindurch.
    Angela rannte
über den Rasen, über die Wege und stürzte auf die Straße hinaus, die sich wie
eine endlose graue Schlange in der Ferne zwischen Äcker, Feldern und Wiesen
verlor.
    Der Himmel
war bläulich und wolkenlos. Die seidige Luft umschmeichelte Angela wie ein
Hauch, der leuchtende Himmel, der sich ankündigte, erschien ihr plötzlich wie
ein Hohn zu dem, was sie in dem Haus gesehen hatte.
    Sie wußte
nicht, wie lange sie lief, wie oft sie keuchend stehenblieb und nach Atem rang,
wie oft sie stolperte und sich wieder aufraffte. Mit einem Male glaubte sie ein
Motorengeräusch zu hören.
    Angela warf
den Kopf herum und sah einen Krankenwagen. Er war weiß und trug ein rotes Kreuz
– und über dem Kreuz standen wie ein Heiligenschein über dem Haupte einer
Madonna drei sonnengelbe Buchstaben: P. J. M.
    Das
bedeutete: Privatsanatorium Professor Jacques Mineau.
    Angela wußte,
daß in der Nähe des Herrenhauses, keine drei Kilometer entfernt, ein privates
Sanatorium stand, das Professor Mineau leitete. Er war eine Koryphäe auf dem
Gebiet der Nerven- und Geisteskrankheiten. Ein nicht unbedeutendes Vermögen
hatte es ihm ermöglicht, abseits der Städte, in einer einsamen, etwas
verwilderten Waldgegend ein Sanatorium zu bauen und zu unterhalten.
    Angela
kicherte leise vor sich hin. Seltsam, welche Gedanken ihr mit einem Male durch
den Kopf gingen. Ein Sanatorium für Geisteskranke, ganz in der Nähe des
Herrensitzes. Ob das von Bedeutung war? Ob Irrsinn ansteckend war?
    Sie wußte später
nicht mehr zu sagen, wie alles gekommen war. Sie war derart verwirrt,
durcheinander, ratlos und panisch, daß es ihr egal war, in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher