Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
011 - Die Mühle des Unheils

011 - Die Mühle des Unheils

Titel: 011 - Die Mühle des Unheils
Autoren: A.F.Morland
Vom Netzwerk:
sich ins Bad und duschte sich den Schweiß vom Körper. Dann zog er seinen weinroten Frotteemantel an und begab sich in die Küche hinunter. Er nahm eine Dose Ingwerbier aus dem Kühlschrank, füllte sein Glas und löschte seinen Durst.
    Wadsworth trat an die Tür, die von der Küche ins Freie führte. Er schob den rotweiß-karierten Vorhang zur Seite und schaute in die Nacht hinaus.
    Breit und wuchtig ragte der Todesbaum auf. Er schien das Firmament mit seiner großen Krone zu stützen.
    Zum erstenmal spürte Wadsworth, daß der Baum eine anziehende Kraft auf ihn ausübte. Zum erstenmal versuchte er sich die blutige Katastrophe vorzustellen, die unter diesem Baum vor vielen Jahren stattgefunden hatte. Wenn das stimmte, was sich die Leute erzählten, mußten sich unter dem Todesbaum grauenvolle Szenen abgespielt haben.
    Der Vater mit der blutigen Axt. Die Frau. Die weinenden Kinder
    … Schrecklich.
    Wadsworth schüttelte sich. Es mußte nicht stimmen. Die Menschen bauschten solche Geschichten gern auf.
    Er griff mechanisch nach dem Türknauf und drehte ihn. Eigentlich wollte er nicht aus dem Haus treten. Gedankenverloren tat er es dennoch.
    Es war eine milde Nacht, Mitte April. Vor einer Woche hatte es danach ausgesehen, als würde der Winter noch einmal zurückkommen, doch nun strich eine laue Brise über das Land, und es war eigentlich ein bißchen zu warm für die Jahreszeit. Das störte Earl Wadsworth jedoch nicht. Er genoß es. Der Winter war ohnedies streng gewesen. Und lang. Kein Ende hatte er nehmen wollen.
    Wadsworth haßte den Winter. Er war kein Skifahrer. Deshalb vermochte er der weißen Pracht nichts abzugewöhnen. Von wegen weiße Pracht. Wenn in London Schnee fiel, verwandelte er sich in den Straßen binnen kurzem in unansehnlichen, graubraunen Matsch, der, von Autoreifen gequetscht, in Richtung Fußgänger flog und ihre Kleidung verdarb. Weit und breit nichts von einer Pracht.
    Ein geisterhaftes Wispern und Raunen wehte dem Antiquitätenhändler entgegen.
    Es kam aus der Krone des Todesbaums.
    Wadsworth ging langsam darauf zu. Unwillkürlich fiel ihm sein Alptraum wieder ein. Warum ausgerechnet jetzt?
    Unheimlich sah die alte Eiche aus.
    Wadsworth fragte sich, ob er auch so empfunden hätte, wenn er die Schauergeschichte nicht gekannt hätte. Bisher war ein Baum für ihn einfach ein Baum gewesen. Natürlich sah die Eiche nachts anders aus als am Tage, aber unheimlich war sie ihm noch nie vorgekommen.
    Wieso auf einmal jetzt? War der Nachhall des Alptraums an dieser Empfindung schuld?
    Earl Wadsworth blieb stehen. Er hob den Kopf und blickte in die Schwärze der weit ausladenden Baumkrone.
    Plötzlich stutzte er.
    War da nicht ein trübes Licht in der Finsternis? Eine bleiche Fläche! Ein Gesicht!
    Konturen wurden scharf, Züge prägten sich in dieses blasse Oval.
    Augen, Nase, Mund – umrahmt von brandrotem Haar.
    Tatsächlich ein Gesicht.
    Mindestens zehnmal so groß wie ein normales Antlitz. Grüne Augen starrten Earl Wadsworth grausam an. Er erschrak bis ins Knochenmark hinein, denn er begriff, daß er dieses Gesicht erst vor kurzem gesehen hatte. In seinem schrecklichen Alptraum!
    ***
    Da war es wieder, und sofort flackerte in Wadsworths Brust die Angst wieder auf. Sein Mund trocknete aus. Er wich einen Schritt zurück, wollte ins Haus zurückkehren, doch der furchterregende Blick des unheimlichen Mädchens bannte ihn. Er mußte bleiben.
    »Earl Wadsworth!« flüsterte sie.
    Es rann ihm eiskalt über den Rücken.
    »Earl Wadsworth!«
    Wie ein Todeshauch wehte ihm ihre unheimliche Stimme entgegen.
    »Wer bist du?« fragte er heiser. »Was willst du von mir?«
    »Wir sind uns vorhin schon mal begegnet. Ich trug den Blutornat und hielt den Seelendolch in meinen Händen.«
    »J-ja… In meinem Alptraum!«
    Das hübsche und doch furchteinflößende Gesicht verzog sich zu einem kurzen bösen Lächeln. »Das war kein Traum, Earl Wadsworth!«
    Er schluckte benommen. »Kein Traum? Was war es denn?«
    Wieder dieses böse, tückische Lächeln. »Eine Vision. Was du gesehen hast, wird wirklich mit dir geschehen.«
    »Wann…?«
    »Bald schon. Die Schatten werden dich holen. Wir werden uns wiedersehen, Earl Wadsworth. Die Schatten werden dich auf den Altar des Schreckens werfen, und ich werde dir mit dem Seelendolch…«
    »Neiiin!« schrie Wadsworth, preßte die Hände auf seine Ohren, wirbelte herum und rannte davon. Das gemeine Lachen der unheimlichen Erscheinung peitschte hinter ihm her. Er stürmte ins
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher