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0078 - Im Geisterreich der Wikinger

0078 - Im Geisterreich der Wikinger

Titel: 0078 - Im Geisterreich der Wikinger
Autoren: Hans Wolf Sommer
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Leuten würgend in der Kehle saß, verlangte nach einleuchtenden Erklärungen, verlangte nach Patentlösungen. Und die konnte Armand Desmet nicht anbieten. Seine bloßen Appelle, Ruhe zu bewahren und nicht die Nerven zu verlieren, heizte die Emotionen der Menschen nur noch mehr an.
    Professor Zamorra und Nicole standen ganz am Rand der Menschenansammlung. Zamorra, der als Parapsychologe von Weltrang auch von der ›normalen‹ Psychologie mehr verstand als viele Spezialisten, spürte förmlich, wie es in der Masse brodelte. Die Hysterie griff um sich wie eine ansteckende Krankheit. Bald würde es zu Reaktionen kommen, die alles noch schlimmer machen konnten, als es schon war.
    Auch Nicole sah etwas Ähnliches kommen.
    »Chef, solltest du nicht kurz zu den Leuten sprechen?« flüsterte sie.
    Er nickte langsam. »Ja, das ist vielleicht das beste.«
    Es erschien ihm nicht angebracht, sich mühevoll einen Weg durch die dichtgedrängt stehenden Leute zu bahnen. So näherte er sich dem Brunnen von der rückwärtigen Seite und kletterte dann schwungvoll auf die improvisierte Rednertribüne.
    Der Bürgermeister warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. Zamorra erkannte eine gewisse Erleichterung in seinen Augen. Er schien froh zu sein, daß jemand gekommen war, um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken.
    Zamorra hob beide Hände. Augenblicklich wurde es etwas ruhiger in der Menge. Die wenigsten der Anwesenden kannten den Professor. Aber seine große Gestalt und sein männliches, energisches Gesicht flößten sofort Vertrauen ein. Die Menschen merkten, daß hier jemand stand, der mehr von sich zu geben hatte als nur ein paar nichtssagende Phrasen.
    »Hört mich an, Männer und Frauen von St. Briand«, sagte er mit einer Stimme, die laut und klar war und auch das letzte Gemurmel in der Menschenmenge ersterben ließ. »Es hat keinen Zweck, sich über die Situation, in der wir uns alle befinden, Illusionen hinzugeben. Es ist etwas Unerhörtes mit diesem Dorf geschehen. Unbekannte Kräfte scheinen ganz St. Briand aus seiner vertrauten Umgebung herausgerissen und in eine fremde Welt, vielleicht in eine ferne Zeit versetzt zu haben. Wer sind diese unbekannten Kräfte? Wir wissen es nicht mit Bestimmtheit. Aber wir können Vermutungen anstellen. Es gibt die Macht des Übersinnlichen, die Macht des Jenseitigen, die Macht des Bösen. Wir müssen damit rechnen, daß St. Briand zu einem Spielball dieser jenseitigen Macht geworden ist.«
    Der Professor machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. Er war sich bewußt, daß er die Menschen geschockt hatte. Aber er stand auf dem Standpunkt, daß man einer Gefahr nur dann begegnen konnte, wenn man sie kannte. Und deshalb hielt er es unbedingt für erforderlich, den Leuten die Augen zu öffnen, sie nicht in falscher Sicherheit zu wiegen.
    Die Reaktion der Zuhörer überraschte ihn nicht. Zuerst folgte seinen Worten eine beinahe atemlose Stille. Diese wich jedoch schnell hektischen Stimmensalat. Verblüffung, Unglauben, Fassungslosigkeit, aber auch plötzliches Verstehen – die zwiespältigsten Empfindungen spiegelten sich in den Gesichtern wider. Entschiedene Ablehnung und spontane Zustimmung schlugen dem Professor entgegen. Der Unglaube kam vor allen Dingen aus den Reihen der Urlauber. Diese waren fast alle in den großen Städten zu Hause und hielten sich für aufgeklärt und modern. In ihrem Vorstellungsvermögen war für Dinge, die man nicht mit Logik erklären konnte, kein Platz.
    Offene Türen hatte Zamorra hingegen bei den meisten Einheimischen eingerannt. Die Fischer waren heimatverbundene, einfache Menschen. Sie waren den alten Glaubensvorstellungen ihrer Vorfahren noch nicht entrückt. Der Aberglaube hatte seit jeher eine große Rolle im Leben der Bretonen gespielt. Aberglaube? Zamorra wußte besser als jeder andere Mensch auf Erden, daß das, was man Aberglauben nannte, oft aus überaus realistischen Wurzeln gewachsen war. Die Welt der Geister und Dämonen gehörte nicht in den Bereich der Ammenmärchen. Sie existierte, und auch das hartnäckigste Leugnen konnte an dieser Tatsache nicht das geringste ändern.
    Ein Mann sprang auf das Podium. Der Mann hatte ein längliches, ernstes Gesicht, das jetzt jedoch ganz von heller Aufregung geprägt wurde. Der schwarze Kragen, den er trug, verriet seine Profession.
    Es war Jules Matteaux, der Dorfgeistliche.
    »Ja, ja!« rief er in die Menge und rollte dabei wild mit den Augen.
    »Was wir hier sehen, ist das Werk des Teufels. Ihr
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