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006 - Der lebende Leichnam

006 - Der lebende Leichnam

Titel: 006 - Der lebende Leichnam
Autoren: Peter Randa
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»Der ist wohl nicht umzubringen. Unglaublich, nach dem, was er mitgemacht hat.«
    »Auf jeden Fall lebt er.«
    »Und er reagiert auf die Behandlung. Die Radioaktivität nimmt erstaunlich schnell ab.«
    Radioaktivität! Das Wort wirkt auf mich wie ein Elektroschock. Im Flügel F kochte Arthaud Atome …
    Um mich herum diskutiert man weiter. Bestimmt glaubt man, dass ich nichts höre, und vor allem, dass ich nicht imstande bin, zu verstehen, was man sagt.
    »Meinen Sie, dass wir ihn retten können?«
    »Nein. Für uns ist bei diesem Experiment nur interessant, zu sehen, wie viel Stunden, Tage und wer weiß wie viele Wochen wir diesen Körper am Leben erhalten können.«
    »Aber wird er dabei nicht entsetzlich leiden?«
    »Bloß keine Sentimentalität! So ein Individuum hat kein Anrecht auf Mitleid. Außerdem glaube ich nicht, dass er irgendwelche Schmerzen verspürt. Auf jeden Fall nicht bewusst. Das ist kein Mensch mehr, Vera. Nur ein Klumpen Fleisch, das nicht sterben will. Und das ist es, was die Wissenschaft interessiert.«
    »Sein Kopf ist kaum verletzt.«
    »Das ist wohl der Grund, weshalb er überhaupt noch am Leben ist. Er hat zwar schwerste Verbrennungen davongetragen, aber allem Anschein nach ist kein lebenswichtiges Organ in Mitleidenschaft gezogen worden. Und da das Hirn geschützt war …«
    Die Stimmen werden leiser. Ich höre nichts mehr. Keine Aussicht auf Rettung. Grässlich, so zu sterben – zu wissen, dass man die Schwelle überschreitet und dabei nicht im Geringsten leidet.
     

     
    Immer noch dieser Zustand eines anderen Bewusstseins. Eines geschärften Bewusstseins ohne jedes körperliche Empfinden. Ich verspüre keine Schmerzen. Ich lebe. Ab und zu falle ich plötzlich in ein Nichts, dann habe ich wieder das Gefühl, daraus aufzutauchen wie ein Ertrinkender, der das Ufer erreicht.
    Fast nie höre ich ein Geräusch, eine absolute, grenzenlose Stille umgibt mich. Es fehlt mir jedes Zeitgefühl. Ein Tier, das sich in sich selbst zurückgezogen hat. Ich weiß nicht, ob es Tag ist oder Nacht.
    Das Schreckgespenst der Schmerzen. Eine Angst, die ich mir nicht erklären kann, da ich nie Schmerzen gehabt habe. Und dann versuche ich gar nicht mehr, eine Erklärung zu finden.
    Ab und zu dringen Geräusche in meine unendliche Einsamkeit. Ich weiß weder wann, noch wie. Ich höre sie nur. Meistens ist es ein Satz, der wie ein Leitmotiv immer wiederkehrt:
    »Er lebt noch immer.«
    Ja, ich lebe. Verzweifelt. In meiner Leere erfüllt mich ein unbändiger Wille. So stark wie noch nie. Der Selbsterhaltungstrieb. Ich klammere mich mit aller Kraft an ihn.
    Ich höre, wie jemand sagt: »Die Wunden vernarben.«
    »Und er scheint keine Schmerzen zu haben.«
    »Es sieht aus, als schlafe er.«
    »Besitzt er überhaupt noch ein Bewusstsein?«
    »Ich bezweifle es.«
    Natürlich bin ich bei Bewusstsein. Mir wird zwar nicht bewusst, was man mit mir macht. Und auch nicht, was um mich herum vor sich geht. Ein ganz merkwürdiges Bewusstsein. Ich kann denken, aber ich denke nicht nach. Ich stelle mir keinerlei Fragen.
    Und ich habe nicht das geringste Zeitgefühl. Manchmal kommt es mir vor, als sei ich erst vor ein paar Minuten in das Zentrum für wissenschaftliche Forschung eingedrungen. Manchmal glaube ich, es ist Jahrhunderte her.
     

     
    Mein Kopf wurde also nicht verletzt. Das ist schon etwas wert. Ich habe es mehrere Male gehört. Nicht neben meinem Bett, denn ich habe nicht den Eindruck, auf irgendetwas zu liegen. Es kommt mir vor, als schwebe ich. Als sei ich nur Geist.
    Aber ich höre und verstehe, was gesprochen wird. Ich habe den Eindruck, immer mehr zu hören. Plötzlich die Stimme einer Frau. Sie sagt:»Doktor, kommen Sie schnell!«
    »Wie? Was ist los?«
    »Seine Augenlider flattern.«
    »Es wäre phantastisch, wenn er das Bewusstsein wiedererlangen würde.«
    »Ein Wunder?«
    »Ja und nein. Alles hängt davon ab, auf welche Weise er zu sich kommt.«
    »Wahnsinn?«
    »Sicher hat sein Denkvermögen unter der Behandlung schwer gelitten. Aber wie wird sich seine Geistesgestörtheit äußern?«
    »Wird er gewalttätig sein?«
    »Ich befürchte eher, dass er unter Angstzuständen leiden wird. Ein allgemeiner und chronischer Angstzustand, von dem wir ihn nie werden befreien können. Wir haben ihn entsetzlich gequält, Vera. Monatelang und ohne Betäubungsmittel.«
    »Um ihn zu retten, waren wir gezwungen, die Schmerzreaktionen zu beobachten.«
    »Auf jeden Fall hat er jetzt einen ganz neuen Körper.«
    »Wenn auch
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