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0046 - Das Haus der Verfluchten

0046 - Das Haus der Verfluchten

Titel: 0046 - Das Haus der Verfluchten
Autoren: Mario Werder
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dann nur noch in jeder Neumondnacht und verfährt mit anwesenden Familienmitgliedern wie zuvor.«
    »Das heißt also, dass ich jeden Monat einmal von hier weg müsste«, sagte das Mädchen, »und was ist das für ein Opfer?«
    »Hier auf der anderen Seite ist eine Liste. Dort steht, was die Bradois an Werten durch ihre grausamen Aktionen erbeutet haben. Diesen Gegenwert haben Sie einer Stelle zu stiften, die sie an die Armen verteilt.«
    Zamorra las weiter und sagte dann:
    »Das Land war damals sehr billig, und auch andere materielle Gü- ter sind im Vergleich zu heute unterbewertet. Ich glaube, dass Sie mit einer relativ kleinen Summe davonkommen werden.«
    »Aber was ist mit den Veränderungen der Werte?«
    »Davon steht hier nichts, die Gesamtsumme lautet über einen Betrag, der heute etwa einhundertzwanzigtausend Francs ausmachen würde.«
    Erschrocken fuhr das Mädchen zusammen.
    »Woher soll ich so viel Geld nehmen?«
    »Beruhigen Sie sich.« Martin Dubois, der Verwalter, trat vor. »Der Ertrag aus der Landwirtschaft war im vergangenen Jahr wesentlich höher als diese Summe. Wahrscheinlich hat Ihr Onkel Ihnen auch noch Bargeld hinterlassen. Er war ja kein armer Mann. Sie sollten morgen zum Notar nach Seissan gehen. Er kennt die ganzen Dinge und hat auch das Testament in Verwahrung.«
    Lucille nickte und sagte: »Ich werde das Geld bezahlen, das steht fest.«
    Der Professor hatte sich wieder in das Buch vertieft. Seine Sekretärin zog ihn am Ärmel.
    »Es wird Zeit, hast du die Gegenformel gefunden?«
    Erstaunt sah Zamorra auf. Er war von der Schrift derart gefangen genommen worden, dass er fast alles andere vergessen hätte.
    »Ja, aber wir sollten damit bis zur kommenden Mitternacht warten. Dann könnte der Betrag bereits bezahlt sein, und der Spruch würde wohl sofort Erfolg haben.«
    Vorsichtig und behutsam legte Professor Zamorra das Buch wieder in das Loch, gab auch das Kreuz hinein und schaufelte zu.
    Als sie über die Terrasse gingen, schlug es eins.
    ***
    Am kommenden Morgen fuhr der Professor die junge Schlossbesitzerin nach Seissan.
    Innerhalb einiger Stunden war alles erledigt.
    Das Vermögen, das Lucilles Onkel hinterlassen hatte, war zwar nicht sehr hoch gewesen, aber es reichte aus, die Stiftung zu machen, und auch dafür, das Gut weiterhin zu bewirtschaften.
    Im Beisein des Notars erledigte Lucille Renard die Formalitäten auf der Bank und überwies einhundertzwanzigtausend Francs an eine wohltätige Organisation.
    Sie gab keinen Absender an, Zamorra hatte abgeraten.
    »Wenn es ein wirkliches Opfer sein soll, müssen Sie in Kauf nehmen, dass diese Spende nicht zum Sparen von Steuern dienen darf.«
    Sie fuhren zurück zum Schloss und erwarteten gespannt die Mitternacht.
    Als es endlich soweit war, liefen sie auf den Hof.
    Wieder wogten Nebel über dem Schlosshof und verdichteten sich schließlich zu einem Gebilde, das zuerst nicht zu identifizieren war.
    Dann schälte sich das Gesicht des alten Mannes, der in der Hütte auf der Waldlichtung den Fluch in das Buch geschrieben hatte, hervor.
    Ernst nickte er Zamorra zu und schien ihn auffordern zu wollen.
    Der Professor trat vor und sprach einige Worte in arabischer Mundart. Voll tönte seine Stimme über den Hof. Er griff zum Amulett, es war kalt.
    Als die letzten Silben verklungen waren, holte er den Talisman hervor.
    Wieder nickte der Alte, der jetzt von zahllosen anderen nebelhaften Gesichtern umgeben war.
    Alles schien sich aufzulösen.
    Da drang ein fernes Flüstern an die Ohren der Menschen. »Der Fluch ist aufgehoben. Bradois gehört wieder seinen Besitzern.«
    Noch einmal materialisierte das Gesicht des alten Mannes.
    Er sah den Professor an und wisperte: »Achte auf das, was du in der Hand hältst. Ich habe zu meiner Zeit davon gehört. Und nutze deine Macht zum Guten.«
    Dann riss der Nebel auf, und klares Sternenlicht schimmerte auf den Hof.
    Der Professor steckte das Amulett in die Tasche und drehte sich um.
    »Ihr habt es gehört«, sagte er. »Schloss Bradois ist wieder so, wie es sein sollte. Es ist zu Ende.«
    Müde, aber zufrieden gingen die Menschen ins Haus.
    »Ab morgen wohnen wir alle im Schloss«, lautete Lucilles letzter Satz, als sie sich trennten.
    ENDE
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