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0030 - Hexentanz

0030 - Hexentanz

Titel: 0030 - Hexentanz
Autoren: Friedrich Tenkrat
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Zimmer gegangen. Ich hatte vorhin den Eindruck, sie würde sich nicht ganz wohl fühlen.«
    Rogan blickte seine Frau besorgt an. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
    »Ich hielt es nicht für wichtig. Wir Frauen haben eben manchmal Tage…«
    »Ach so«, sagte Rogan und zündete sich eine dicke Zigarre an. Er hatte verstanden, was seine Frau angedeutet hatte.
    Plötzlich irritierte ihn eine Bewegung. Oben auf dem Dach war soeben eine helle Gestalt aufgetaucht.
    Murray Rogan hob den Kopf.
    In derselben Sekunde krampfte sich sein Herz zusammen. Er traute seinen Augen nicht. Mit einem heiseren Aufschrei sprang er auf. Die Zigarre fiel auf den Natursteinboden. Rogan achtete nicht darauf.
    »Mein Gott, was macht sie?« stieß Murray Rogan entsetzt hervor.
    Amanda blickte nun ebenfalls mit schreckgeweiteten Augen zum Dach hinauf. Ganz vorne am Rand stand ein schlankes Mädchen. Sie trug ein helles Kleid. Ihr Gesicht war bleich. Der Blick war in eine endlose Ferne gerichtet.
    Ihre Lippen bewegten sich kaum, als sie flüsterte: »Oxoran… Endlich gibt es ein Wiedersehen…«
    Amanda Rogan erhob sich. Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Sie hatte große Angst um ihr Kind.
    »Amanda«, keuchte Murray Rogan verstört. »Kannst du mir erklären, was sie da macht?«
    Amanda konnte nicht sprechen. Sie schüttelte benommen den Kopf.
    »Ann!« rief Murray Rogan seine Tochter. »Ann, um Himmels willen, was hast du vor?«
    »Sie… sie hört dich nicht«, krächzte Amanda, als sie endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte. »Das arme Kind. Es ist total geistesabwesend.«
    »Sie spricht… Kannst du hören, was sie sagt?«
    »Nein«, antwortete Amanda.
    »Das Kind wird sich doch nichts antun!« ächzte Murray Rogan. Er schrie nach dem Hauspersonal.
    Der Butler kam. Ein drahtiger Mann mit langem Gesicht und eingefallenen Wangen.
    »James!« rief Murray Rogan, außer sich vor Angst um seine Tochter. »James, ich bitte Sie, holen Sie Ann von dort herunter!«
    »Ja, Sir!« erwiderte der Butler hastig und rannte ins Haus. Die Köchin und der Chauffeur erschienen auf der Terrasse.
    »Sieht aus, als wolle sie runterspringen«, sagte der Chauffeur entsetzt.
    Amanda erlitt einen Schwächeanfall. Sie mußte sich auf den Tisch stützen. Ihre Knie wurden weich. Sie bebte. Ihre Miene wirkte wie aus weißem Marmor gemeißelt.
    »O-x-o-r-a-n!« rief Ann mit schriller Stimme.
    »Was war das?« fragte Murray Rogan nervös. »Was sagte sie eben?«
    »Oxoran«, wiederholte die Köchin. Niemand wußte mit diesem Namen etwas anzufangen.
    »Ann, ich beschwöre dich, geh zurück!« rief Rogan eindringlich. Er rang die Hände. »Ann, tu deiner Mutter und mir das nicht an. Wir lieben dich. Es kann doch keinen Grund für dich geben, auf diese furchtbare Weise aus dem Leben zu scheiden! Wenn dich etwas bedrückt, kannst du offen mit uns darüber reden. Es gibt kein Problem, das ich für dich nicht regeln könnte. Glaub mir, Ann, es ist nichts so wichtig, daß man sich deswegen das Leben nehmen müßte!«
    Ann beachtete ihren Vater nicht. Sie schien auch ihre Mutter und das Personal nicht zu sehen.
    Mit einem tiefen Seufzer breitete sie die Arme aus. Der Wind spielte mit ihrem dunklen Haar.
    Er bauschte ihr Kleid. Sie schwankte, als wäre sie betrunken.
    »Oxoran, ich komme!« rief Ann. Alle, die auf der Terrasse standen, konnten es hören.
    »Mein Gott, sie wird springen!« stieß Amanda Rogan entsetzt hervor.
    »Sie darf nicht, darf nicht… sie darf das nicht tun!« schrie Murray Rogan verzweifelt. »Herrgott noch mal, wo bleibt denn nur James so lange? Er müßte doch längst auf dem Dach sein!«
    James tauchte in diesem Augenblick aus der Dachluke auf. Er schlüpfte hinaus und ging gebückt über das schräge Dach.
    Ann schien ihn noch nicht bemerkt zu haben. Sie blickte gelassen in die Tiefe. Sie fühlte sich davon angezogen.
    »Es wird ein Wiedersehen geben!« rief das Mädchen. »Mit Oxoran!« Es klang begeistert. Ann lachte.
    »James, lassen Sie sie um Himmels willen nicht springen!« schrie Murray Rogan.
    »Matratzen«, keuchte Amanda. »Vielleicht sollten wir Matratzen auslegen… für den Fall, daß James es nicht schafft…«
    Die Frau rannte ins Haus. Der Chauffeur und die Köchin folgten ihr, um ihr zu helfen. Murray Rogan stand wie angewurzelt da. Er konnte nicht begreifen, was er mit ansehen mußte.
    Ann wollte Selbstmord begehen. Und sie schien es bei vollem Bewusstsein zu tun. Wie war so etwas Irrsinniges nur möglich?
    James
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