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0023 - Bei Vollmond kommt das Monster

0023 - Bei Vollmond kommt das Monster

Titel: 0023 - Bei Vollmond kommt das Monster
Autoren: Holger Friedrichs
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Widerstand.
    Das Kichern, das auf die Worte folgte, hielt einige Sekunden an.
    Danach ertönte das nächste unheimliche Geräusch. Mauro wollte sich aufrichten, aber die Lederriemen hielten ihn flach auf dem Bett.
    Schritte näherten sich. Hell und hölzern klangen sie. Das Echo hallte hart in Mauros Ohren wider. Sie war nicht zu sehen, die Besitzerin der Stimme – sie war unsichtbar.
    Male aus weißlichem Staub zeichneten sich auf dem Zimmerboden ab. Sie gaben nicht deutlich die Formen zweier Füße wieder; eher waren es ovale Flecken, die von der Gegenwart des schaurigen Wesens zeugten. Ohne Hast setzten sich die Abdrücke in Richtung auf die Flanke des Bettes fort. Hin und wieder kam das Kichern auf.
    »Ich wusste, dass ich dich kriege«, zischte die Stimme, »ein Jahr habe ich darauf gewartet…«
    »Hi… Hilfe«, brabbelte Mauro. Schweiß stand wieder in Perlen auf seiner Stirn. Die Gesichtshaut hatte die Farbe einer Kalkwand.
    Aus den Lippen war jegliche Farbe gewichen.
    »Dottore…«
    »Dottore«, äffte die Stimme nach, »er kann nichts mehr für dich tun, dein Dottore. Glaubst du, ich lasse dich wieder los?«
    Sie war neben ihm, das spürte er jetzt. Das Licht erlosch.
    Das Gespenst stank nach Fäulnis, nach Erde und Schwefel. Gleichzeitig ging eine entsetzliche Kälte von ihm aus. Mauro begann am ganzen Leib zu beben und die Zähne aufeinander zu schlagen.
    »Du bist mein, Mauro – Fleisch meines Fleisches«, knarrte die Stimme. Dann fühlte der Geisteskranke, wie sich etwas auf ihn senkte und ihm den Atem raubte. Er war nicht mehr fähig, auch nur einen Laut von sich zu geben. Langsam wurde er starr. Er glich einem Toten.
    Aber das Leben war nicht aus seinem Leib gewichen. Sobald das Kichern in dem Raum erstarb, die Lampe wieder aufleuchtete und die staubigen Fußabdrücke verschwanden, kam wieder Bewegung in den blonden Mann. Mauro stöhnte.
    Die Verwandlung nahm ganz allmählich ihren Lauf. Mauro spürte kaum etwas davon. Sein Haar wuchs über die Ohren aus. Gleichzeitig verlor es die Farbe. Bald war es schlohweiß, struppig und verfilzt. Während es ständig länger wurde, um schließlich bis auf die Schultern herabzuhängen, veränderte sich auch die Gesichtshaut.
    Falten gruben sich in Mauros einst glattes Äußeres und verliehen ihm das Aussehen eines Achtzigjährigen. Als dann an mehr als zwei Dutzend Stellen große Eiterbeulen auswuchsen, aufplatzten und als scheußliche Schwären zurückblieben, als seine Lippen sich aufbliesen und die Augen halb aus den Höhlen traten, um als schrecklich glühende Sehwerkzeuge in den Raum zu glotzen, schien sein gesamter Körper größer, kräftiger geworden zu sein.
    Mauro öffnete den Mund. Wenige spitze Zähne zogen sich auseinander – seine Zunge hatte einen bläulichen Schimmer angenommen.
    Plötzlich nahm er den Kopf etwas hoch und gab einen bösartigen, grunzenden Laut von sich.
    Die Lederriemen hinderten ihn daran, sich aufzusetzen. Mauro schnaubte. Er warf sich hin und her, dass es in dem Bettgestell krachte. Die Decke rutschte von seinem Leib. Nur noch zwei Knöpfe hielten die Pyjamajacke zu, denn seine Brust hatte sich derart ausgeweitet, dass die oberen Knöpfe gesprengt worden waren. Die Jacke klaffte auseinander und gab den Blick auf mächtige, mit Falten und Eitermalen übersäte Schultern frei.
    Für einen Moment lag er still. Dann spannte er sämtliche Muskeln an. Und mit der enormen Kraft, die ihm das aus der Finsternis entwichene unsichtbare Wesen verliehen hatte, gelang es ihm, sich zu befreien. Die Lederriemen an Armen und Beinen platzten unter seinen gewaltigen Anstrengungen auf.
    Mauro ließ eine Art zufriedenes Quieken hören. Mit plumpen Bewegungen kroch er aus dem Bett. Er schlich bis zur Tür, zögerte aber, sich dagegenzuwerfen. In plötzlichem, unergründlichem Entschluss trottete er durch das Zimmer und wandte sich einem der Fenster zu.
    Er hieb mit der Faust gegen die Scheibe, dass das Glas zersplitterte und in vielen Scherben zu Boden klirrte. Mauro glotzte auf seine Hand. Blut quoll aus den Schnitten, die er sich zugefügt hatte.
    Schnaufend grapschte er nach den Gitterstäben, die den Weg in die Freiheit versperrten. Grässliche, röhrende Geräusche kamen aus seinem Maul, als er mit den Pranken daran zerrte.
    Das Eisen bog sich unter seinen übermenschlichen Kräften. Aber dennoch ging es ihm nicht schnell genug voran. Mauro verlegte ich darauf, das Gitter nach außen zu stoßen, statt es auseinander zu biegen und dadurch
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