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0023 - Bei Vollmond kommt das Monster

0023 - Bei Vollmond kommt das Monster

Titel: 0023 - Bei Vollmond kommt das Monster
Autoren: Holger Friedrichs
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brannten, waren die meisten Patienten wach. Sie waren durch den Lärm geweckt worden. Aus großen verständnislosen Augen gafften sie die Pfleger an.
    »Ich würde lieber einen Arzt rufen«, meinte Modena, als sie zum Nachtwachenraum zurückkehrten. Im Obergeschoss war es bedeutend stiller geworden, aber Mauros Stöhnen war immer noch zu hören.
    »Ich glaube, es ist besser, wenn er eine Spritze bekommt«, fuhr Modena fort. »Und dann ist da noch was. Ich habe den Eindruck, das war kein richtiger Anfall.«
    »Du meinst, weil er nicht verkrampft auf dem Zimmerboden lag und zuckte? Was hat er dann?«
    »Keine Ahnung.« Modena zuckte die Achseln. »Das Beste wäre, gleich Dottore Sanchini zu benachrichtigen. Er hat sich in der letzten Zeit besonders mit Mauro befasst und möchte über jeden Stimmungsumschwung des Patienten möglichst sofort informiert werden.«
    »Gut, dann gehst du jetzt rüber und sagst ihm Bescheid, würde ich vorschlagen«, entgegnete Aquila. »Ich halte hier solange die Stellung.«
    ***
    Der Anstaltskomplex von Monte Ciano dehnte sich über ein etwa einen Quadratkilometer großes Gelände aus. Die elf Gebäude waren von Grünflächen und Bäumen umgeben; sie selbst lagen so dicht beieinander, dass man von den Stationen vier und fünf zum Beispiel innerhalb von fünf Minuten das am weitesten entfernt liegende Haus erreichen konnte. Modena benutzte also nicht seinen Wagen, sondern machte sich zu Fuß auf den Weg.
    Er erreichte das Haus des Chefarztes und atmete auf, als er das Licht hinter den Fensterscheiben sah. Dottore Aldo Sanchini schien also noch auf zu sein. Er war ein verwitweter Mann, der als einziges Mitglied der Ärzteschaft direkt auf dem Anstaltsgrundstück lebte.
    Seine Wohnung befand sich in den beiden oberen Stockwerken dieses Hauses, in dessen Erdgeschoss tagsüber die Verwaltung arbeitete.
    Gino Modena klingelte an der Eingangstür.
    Schritte näherten sich. Ein Mann öffnete ihm, doch zu seinem Erstaunen war es nicht Dottore Sanchini, der die Treppe heruntergekommen war, vielmehr handelte es sich um einen Fremden, einen großen schlanken Mann mit dunklen Haaren und hellwachen grauen Augen. Seine Züge waren markant.
    »Ich bin Professor Zamorra«, erklärte der Mann in fast akzentfreiem Italienisch. »Kommen Sie, der Dottore wartet auf Sie. Er hat Sie vom Fenster aus gesehen, aber ich habe es ihm abgenommen, zu öffnen. Sie sind Signore Modena, nicht wahr?«
    »Richtig. Leider muss ich den Dottore stören.«
    »Ich glaube, damit hat er bereits gerechnet.« Zamorra rückte zur Seite, ließ Modena an sich vorüber in den Flur treten und ging neben ihm her auf die Treppe mit dem gedrechselten Eichenholzgeländer zu. Die Stufen knarrten etwas unter ihren Schuhen. Das Haus war, wie der größte Teil der Anstaltsbauten, fünfzig Jahre alt. 1925 war der Monte-Ciano-Komplex errichtet worden.
    »Ich habe Sie hier noch nie gesehen«, bemerkte der Pfleger. »Sie sind Ausländer, oder täusche ich mich?«
    Zamorra lächelte. »Ich stamme aus den Vereinigten Staaten, aus New York, um genau zu sein. Allerdings wohne ich in meinem Schloss. Château Montagne liegt im Loire-Tal.«
    »Ein richtiges Schloss in Frankreich«, staunte Modena. »Gott, ich stelle mir das wahnsinnig romantisch vor.«
    »Ich bin nach Monte Ciano gekommen, um endlich der Einladung meines alten Freundes Aldo Sanchini zu folgen«, fuhr Zamorra fort.
    »Ich glaube, es sind fast zehn Jahre, dass er mich drängt, hier ein paar Tage zu verbringen. Da ich zur Zeit ein Buch über mögliche Zusammenhänge zwischen den Erkenntnissen der Psychopathologie und Parapsychologie vorbereite, verbinde ich das Angenehme mit dem Nützlichen und befrage den Dottore in diesem Zusammenhang.«
    »Parapsychologie? Ist das nicht ein Teilgebiet der Psychologie, das die übersinnlichen Bereiche des Seelenlebens erforscht?«
    »Eine ausgezeichnete Definition.«
    »Ich habe etwas darüber gelesen. Aber…«
    Er brach ab, denn Dottore Sanchini kam aus seinem Arbeitszimmer und eilte auf sie zu. Im Gehen knöpfte er seinen knielangen weißen Kittel zu und wischte sich eine Haarsträhne aus der Stirn; ein großer Mann, dessen ernst blickende blaue Augen und stahlgraue Haare es schwer machten, sein wahres Alter zu bestimmen. Er trug einen sorgfältig gestutzten Vollbart.
    »Brauche ich die Tasche, Gino?«, fragte er nur.
    »Ich denke schon«, gab Modena rasch zurück, »es handelt sich um Mauro, Dottore. Er hat sich wütender als sonst aufgeführt. Vielleicht
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